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Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Jörg Steinleitner
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Heigelmosers ganzes Leben an ihr vorüber, Bild für Bild, aber ziemlich unscharf. Die Putzfrau dachte an ihren Mann und erinnerte sich, wie er ausgesehen hatte, nachdem ihn der Krebs aufgefressen hatte. Sein Gesicht war noch fast so wie immer gewesen, vielleicht ein wenig voller wegen der ganzen Chemie, die sie in ihn hineingepumpt hatten. Aber unter seinem Nachthemd, neben seiner linken Brust, da hatte sich die Haut nach oben gewölbt, als hätte der Kurt darunter einen Tennisball versteckt.
    »Zwei.« Unerbittlich zählte Jorina weiter.
    Irene und Kurt Heigelmosers Ehe war nicht immer ideal verlaufen. Der Kurt hatte gern getrunken. Aber er war ein guter Vater gewesen. Aus allen drei Kindern war etwas geworden. Der Franz war auf der Meisterschule für Feinmechanik, die Isi hatte Hotelfachfrau gelernt und war verlobt, und der Quirin studierte sogar aufs Grundschullehramt. Die Heigelmoserin konnte sich beim besten Willen nicht beklagen.
    »Drei.«
    Die wird doch jetzt nicht schießen, die wird doch jetzt nicht … Der Revolver machte ein klackendes Geräusch. Irene Heigelmoser konnte nicht mehr weiterdenken. Ihr wurde flau im Magen und schwarz vor Augen.
    Das ist der Himmel, dachte sie für einen Augenblick, als sie wieder zu sich kam. Aber dann erkannte sie, dass immer noch diese Jorina neben ihr kniete. Und diese nichtsnutzige Göre hatte im Himmel ja wohl beim besten Willen nichts verloren, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber was war geschehen? Ein Blackout? Wie viel Zeit war vergangen?
    »Ich lebe?«, stellte die Heigelmoserin erstaunt fest.
    »Der Revolver war nicht geladen. Ich wollte nur abchecken, ob du die Wahrheit sagst«, erklärte Jorina cool.
    »Ich bin katholisch«, beteuerte die Putzfrau, weil sie meinte, dass dies für ihre Ehrlichkeit spreche. Sie fühlte sich ganz schwach und klapperig.
    »Eben«, meinte das Revolvermädchen. Mit einem Papiertaschentuch wischte es der Putzfrau beinahe zärtlich den Schweiß von der Stirn.
    »Was wollt’s ihr denn überhaupts?«, fragte Irene Heigelmoser hilflos.
    »Den Schlüssel«, erwiderte Jorina bestimmt. Die Putzfrau stellte fest, dass das Mädchen unter dem T-Shirt keinen BH trug. Vor dreißig Jahren war das ja Mode gewesen. War das jetzt auch wieder in?
    »Aber warum überfallt’s ihr dann ausgerechnet so eine kleine Bank, in einem kleinen Dorf, an einem kleinen See? Und warum ausgerechnet am Sonntag, wo doch eh niemand da ist?«
    »Weil wir political correct sind. Wir wollen so wenige Menschen wie möglich töten. Und am Sonntag ist eine Bank leer. Außerdem kommt uns dieser Pferdefeiertag entgegen, weil dann die Polizei mit anderem Kram beschäftigt ist.«
    »Soso, ›political correct‹ findet ihr das.« Irene Heigelmoser sprach die Worte mit Abscheu aus. »›So wenige Menschen wie möglich töten‹ …«
    »Wir kämpfen für ’ne gute Sache.«
    »Darf man für eine gute Sache jemandem derart auf den Kopf hauen, dass er ohnmächtig wird? Und ihm hinterher noch mit einem Revolver einen solchen Schrecken einjagen, dass er fast einen Herzinfarkt kriegt? Darf man für eine gute Sache jemanden umbringen? Kann ein Banküberfall überhaupts politisch korrekt sein? Ha?«, fragte Irene Heigelmoser, vor Empörung zitternd.
    »Banken sind Schweine«, erwiderte Jorina trotzig.
    »Aber ich bin doch keine Bank!«, rief die Putzfrau vorwurfsvoll. »Und schon gar kein Schwein! Ich mach hier bloß meine Arbeit, fertig, aus.«
    »Du bist ein Kollateralschaden.«
    Die Heigelmoserin machte »pfff«.
    »Wirst du immer gut behandelt?«
    »Von wem?«
    »Von deinem Chef.«
    »Nein, nicht immer«, gestand die ältere der jüngeren Frau.
    »Na also!«
    »Der Herr Ochsenknecht ist schon manchmal nicht so korrekt, also jetzt unabhängig von politisch.«
    »Na, siehst du«, erwiderte Jorina mit Genugtuung in der Stimme. »Und deshalb knöpfen wir uns den als Nächstes vor. Ruf ihn an – jetzt!«
    Irene Heigelmoser war hin- und hergerissen. Einerseits konnte sie den Ochsenknecht nicht leiden. Er war ein verlogener Hund. Zwar schenkte er ihr immer einen Blumenstrauß zu ihrem Geburtstag und zwang alle Bankmitarbeiter, ihr irgendeinen gut gemeinten Schmarren auf die Glückwunschkarte zu schreiben, aber wenn es ums große Ganze ging, dann war er knickrig wie Dagobert Duck. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er während der Bankenkrise ihren Lohn noch einmal um einen Euro fünfzig die Stunde gekürzt und einen Urlaubstag sowie das Weihnachtsgeld gestrichen. In
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