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Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Jörg Steinleitner
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ein Paar werden, zumindest theoretisch. Schließlich war sie Witwe, er war Single, beide waren sie allein. Und jeder Mensch braucht ein Gegenüber. Sogar von skrupellosen Bankern durfte man das annehmen. In der Zeitung konnte man immer häufiger von prominenten Liebespaaren lesen, bei denen die Frau wesentlich älter war als der Mann. Erfahrene Lady plus Jungspund, das war ein Konzept, das anscheinend funktionierte. Man müsste natürlich den heutigen Tag, diese vermaledeite Bankraubangelegenheit, überleben. Logisch.
    »Ist die Madonna eigentlich noch mit ihrem Jesus beieinander?«, fragte Irene Heigelmoser direkt und ungefiltert aus ihren romantischen Gedanken heraus, woraufhin der Ochsenknecht sofort wieder zu schnaufen begann wie ein Ross, das eine Kutsche den kleinen Hügel beim Ganghofer-Haus hinaufziehen muss.
    Weil das Weichei keinerlei Anstalten machte, zu antworten, dachte die Reinigungsfachkraft nicht weiter über die Popdiva und ihr Gspusi nach. Letztlich mochte sie so schmierige Typen wie den Ochsenknecht sowieso nicht. Der Filialleiter war halt leider kein g’standenes Mannsbild. Von denen gab es aber ohnehin nicht mehr viele. Immer weniger Männer wussten mit Jagdgewehren und Bohrmaschinen umzugehen oder konnten einen Siphon austauschen; kaum einer hatte noch genügend Saft in den Armen, um eine Waschmaschine in den vierten Stock zu tragen; jeder zweite Mann klagte zudem über einen Bandscheibenvorfall (oder hatte Angst davor), und das Tiereschlachten überließ man zunehmend Osteuropäern. In den Bierzelten wurde nicht mehr vernünftig geschlägert, vielerorts schenkte man das Bier ja nur mehr in Plastikbechern aus, und damit – das musste sogar ein norddeutscher Mensch begreifen – war es beim besten Willen nicht möglich, eine Meinungsverschiedenheit auf traditionelle bayerische Art auszukarteln.
    Früher hatte man sich einfach einen Maßkrug auf den Kopf gehauen, mindestens einer war ohnmächtig geworden oder hatte wenigstens ein bisschen geblutet. Aber welches Drohpotenzial konnte man in einer Diskussion schon mit einem Plastikbecher aufbauen? Dazu schmeckte das Bier aus diesen Plastikbechern auch noch lack, schal und abgestanden! Kein Wunder, dass fast alle Bierzeltbesucher bei klarem Verstand waren. Niemand trank sich mehr einen ordnungsgemäßen Rausch an. Der Konsum an alkoholfreiem Bier, Leitungswasser und Biolimonade hatte längst Ausmaße angenommen, dass bayerische Politiker in geheimen Sitzungen darüber diskutierten, ob es der Rettung der bayerischen Braukultur dienen könnte, ein Gesetz einzuführen, das jeden Bürger dazu verpflichtete, pro Tag zwei Maß Bier zu trinken, Kinder und Frauen natürlich weniger. Gesundheitliche Bedenken gab es deswegen keine, doch war man sich nicht einig, ob diese Bevormundung des Bürgers (im wahrsten Sinne des Wortes) nicht gegen die bayerische Verfassung und die Menschenrechtskonvention verstoße.
    Aber das mit dem sinkenden Bierkonsum war ja längst nicht die einzige Gefahr, die Bayerns Zukunft bedrohte: Die Männer rauchten nicht mehr, und zu Hause sah man sie immer häufiger in der Küche an den Töpfen herumpfuschen. Manche buken sogar Kuchen! Am Samstagnachmittag gingen sie zum »Shoppen«, am Samstagabend bügelten sie, und wenn es überhaupt noch jemals zu Intimitäten kam, fragten sie eine Frau zehnmal, ob sie sie küssen dürften, anstatt dass sie es einfach taten. Was dazu führte, dass kaum mehr eine Frau zu ausreichend Zärtlichkeiten kam und deswegen – das war nur logisch! – viel mehr Frauen lesbisch wurden als früher; und die, die dennoch Männer bevorzugten, praktisch keine Kinder bekamen.
    Ein Schauer durchlief die Heigelmoserin. Es war wirklich unglaublich: Die Männer von heute ließen sich schminken, die Fußnägel pettingküren oder wie das hieß, und sogar das Fett am Bauch absaugen. Sie duschten jeden Tag, achteten auf ihre Linie, enthaarten sich die Beine und wechselten zweimal täglich die Unterwäsche. Wo sollte das alles hinführen?
    Hing diese bedenkliche Entwicklung wirklich damit zusammen, dass Plastikflaschen weibliche Hormone absonderten, wie Irene Heigelmoser es kürzlich aus dem Fernsehen erfahren hatte? War der Ochsenknecht einfach, ohne dass es ihm aufgefallen wäre, per Industrieverpackung hormonbehandelt worden?
    Als Mann war der Filialleiter jedenfalls nicht sehr attraktiv. Geldmäßig standen die Dinge natürlich anders. Da war so ein Banker nach wie vor interessant. Trotz Krise stimmte hier das Budget,
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