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Rätselhafte Umarmung

Rätselhafte Umarmung

Titel: Rätselhafte Umarmung
Autoren: Tami Hoag
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allerdings nicht mit einem Sandwich stillen ließ. Wenn sie im Verlauf der letzten fünf Jahre eines gelernt hatte, dann ehrlich zu sich selbst zu sein.
    Die Erkenntnis erschreckte sie. Sie hatte das stattliche Alter von fünfundzwanzig Jahren erreicht und noch nie so auf einen Mann reagiert, nicht einmal auf Terence, den sie einst geliebt hatte. Sie hatte nicht damit gerechnet, jemals so zu empfinden. Das ging einfach gegen ihre Natur. Sie hatte ganz bestimmt nicht damit gerechnet, sich so bei einem vollkommen Fremden zu fühlen, noch dazu bei einem, der sie plötzlich mit unterschwelliger Verachtung musterte. Das Gefühl war ihr unangenehm, sie wollte es nicht spüren und konnte es auf gar keinen Fall brauchen. Der Grund, weshalb sie hier war, hing über ihr wie eine schwarze Wolke. In ihrem Leben hätte in Zukunft nichts außer Addie mehr Platz.
    »Wo ist meine Mutter?« fragte sie mit fester Stimme und brach damit den eigenartigen Bann zwischen ihnen.
    »Oben. Sie schläft«, antwortete Bryan und schob sich an ihr vorbei. »Obwohl es mich überraschen würde, wenn es auch nur einen Hund in der Gegend gibt, den Sie mit Ihrem Gekreische nicht geweckt haben.«
    »Gekreische!« wiederholte Rachel entrüstet. Sie kniff die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, stemmte die Hände in die schmalen Hüften und sah zu, wie er in dem Sammelsurium von Geräten herumzuhantieren begann, das sich in der Eingangshalle angehäuft hatte. Wachsender Zorn verdrängte alle anderen Empfindungen. »Natürlich habe ich gekreischt. Ich trete ins Haus meiner Mutter und werde von irgendwelchen komischen Apparaten angefallen. Was soll eigentlich der ganze Krempel?« fragte sie ungeduldig und mit einer herrischen Geste auf die Geräte. »Was hat dieses Zeug hier zu suchen? Für wen halten Sie sich eigentlich?«
    »Meistens halte ich mich für Bryan Hennessy«, antwortete Bryan trocken. Er richtete einen Lichtmesser wieder auf, der umgefallen war, und tippte leicht mit dem Knöchel dagegen. Zu seiner Erleichterung funktionierte er noch. »Einmal habe ich beim Kugelstoßen die Kugel auf den Kopf gekriegt, und danach hielt ich mich drei Stunden lang für Prinz Charles, aber das ist schon fünfzehn Jahre her. Ich bin einigermaßen darüber hinweggekommen - bis auf das eigenartige Bedürnis, Polo zu spielen, das mich manchmal überkommt. Und einmal hat man mich für Pat Reilly, den Schauspieler, gehalten.« Er schenkte ihr ein breites Grinsen, bei dem Rachels Herz einen kleinen Satz machte. »Ich finde eigentlich nicht, daß wir uns besonders ähnlich sehen, aber die Dame, die mir das Hemd vom Leib riss , war offenbar anderer Meinung.«
    Rachel spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, als sie in ihrer Phantasie ein ungewöhnlich lebendig wirkendes Bild dieses Mannes mit halb heruntergerissenem Hemd sah. In ihrer Vorstellung war seine Brust glatt und fest, mit ausgeprägten Muskeln und ein paar braunen Locken und einem kleinen Muttermal direkt über der linken Brustwarze. Sie glaubte fast, seine heiße Haut unter ihren Händen zu spüren, und ihre Nasenflügel blähten sich unwillkürlich, als sie seinen männlichen Geruch wahrnahm. Es war eine höchst eigenartige Erfahrung, und es kostete sie alle Mühe, tief durchzuatmen.
    Ohne Rachels missliche Lage zu bemerken, hatte sich Bryan wieder seinen Geräten zugewandt. Jedes Stück wurde gründlich überprüft. Im Augenblick konnte er es sich nicht leisten, auch nur eines reparieren zu lassen. Mit seinen Finanzen stand es nicht gerade zum besten. Um die Wahrheit zu sagen, er war mehr oder weniger pleite.
    »Dieser >Krempel<«, sagte er, »ist eine hochsensitive elektronische Überwachungsanlage, die ich dringend für meine Arbeit brauche. Ich bin Parapsychologe und auf die Lokalisierung und Definition paranormaler Phänomene spezialisiert.«
    Rachel konnte es kaum fassen, daß sich ein so ungepflegter Kerl wie dieser Bryan so auszudrücken vermochte. Sie neigte kritisch den Kopf, runzelte die Stirn und versuchte, seine Erklärung in allgemein verständliches Englisch zu übersetzen. »Gibt es einen geläufigen Ausdruck für Ihre Arbeit?«
    Er lächelte, wobei ebenmäßige, weiße Zähne aufleuchteten, mit denen er für Zahnpasta Reklame machen konnte. Diesmal funkelten seine Augen verschmitzt, und hinter seiner Brille zeigten sich attraktive kleine Lachfältchen in den Augenwinkeln. »Ich bin ein Geisterjäger.«
    Rachel blinzelte; sie war überzeugt, ihn falsch verstanden zu haben. »Sie sind
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