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Radikal

Radikal

Titel: Radikal
Autoren: Yassin Musharbash
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Bruder Khaled und dem grausamen Video, mit dem al-Qaida Khaleds Hinrichtung dokumentiert hatte.
    Fadia Latif hörte zu und schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber das ist doch Wahnsinn. Das sind doch zwei völlig verschiedene Sachen, al-Qaida und dieses Kommando. Das muss man doch auseinanderhalten können, ob einer für die einen oder für die anderen arbeitet!«
    Samson konnte Fadia Latif ansehen, wie sehr sie litt. Sie verstand es nicht. Aber er verstand es ja selbst nicht. Wer sollte das auch verstehen?
    »Bitte, es muss doch Hinweise geben. Was glaubt ihr denn, wer es war?«
    »Das Einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann«, antwortete Samson, »ist, dass Nabulsi alles dafür getan hat, dass es wie ein al-Qaida-Anschlag aussieht. Als ich das Kommando unterwandert habe, bin ich ihm zu nahe gekommen. Er hat mitbekommen, dass ich mich eingeschlichen habe. Er hatte Angst, dass ich veröffentlichen würde, dass das Kommando Karl Martell den Anschlag in Auftrag gegeben hat und dass es kein al-Qaida-Anschlag war. Das hat er um jeden Preis zu verhindern versucht.«
    »Um das Kommando zu schützen?«
    »Vielleicht. Vielleicht aber auch, um al-Qaida zu schützen. Das Video war gut genug, um echt zu sein. Er hat es nur etwas zu schnell veröffentlicht. Aber ich bin sicher, dass selbst al-Qaida es anerkannt hat. Al-Qaida hatte einen Anschlag zu verlieren.«
    »Und was hat er getan, um zu verhindern, dass du das Kommando beschuldigst?«
    Samson zögerte. War das alles wirklich wahr? Es schien ihm noch immer alles so unwirklich. Es war alles so schnell gegangen, so heftig gewesen. Die drei Wochen in Potsdam, in denen er Pippin gewesen war. Die Nächte mit Renatus . Der Baron und die Ringzeremonie. Dann die Festnahme. Die endlosen Tage und Nächte in Moabit, und die Gedanken, die auf ihn eingeströmt waren, während die Welt sich draußen weitergedreht hatte und er dabei eine der Hauptpersonen war, obwohl er gar nicht dabei war. Er saß ja drinnen, und das echte Leben war draußen. Nur dass es ihm in Moabit manchmal andersherum vorgekommen war: Dass das echte Leben drinnen war, und draußen gar keines. Und gerade als er sich daran gewöhnt hatte, war das auch wieder falsch, denn dann war er plötzlich frei gewesen.
    Sumaya hatte vor der Tür der JVA auf ihn gewartet, er hatte sie umarmt, und er wusste, er würde diesen Moment nie in seinem Leben vergessen, wie sie halb lachend und halb weinend auf dem Parkplatz gestanden hatten. Aber am nächsten Morgen hatte er das Gefängnisfrühstück vermisst und Panik bekommen, dass er sich dieses Mal verändert hatte, ohne es zu merken, ohne Absicht. Und wenn man sich veränderte, weil sich ständig alles um einen herum änderte, was konnte man dann noch glauben?
    »Samuel?«, fragte Fadia Latif sanft.
    Samson zuckte zusammen. Er war offensichtlich mitgenommener als er gedacht hatte. Dankbar nahm er zur Kenntnis, dass Sumaya wieder an seiner Stelle übernahm.
    »Nabulsi hat den Anschlag auf Samuel abgewälzt. Samuel wurde verhaftet und saß fast eine Woche als mutmaßliches al-Qaida-Mitglied im Gefängnis.«
    » Ka-la «, entfuhr es Fadia Latif. »Das ist nicht wahr, oder?«
    Sumaya erklärte ihr, wie Nabulsi einen Teil des Sprengstoffs bei ihm versteckt und Dengelow informiert hatte. Sie schilderte, wie Kai es geschafft hatte, ihn zu besuchen, und wie sie, gemeinsam mit Merle, weitere Informationen zusammengetragen hatten. Sie erzählte auch, wie sie Dengelow erpresst hatte.
    »Ich werde also womöglich niemals erfahren, warum mein Mann sterben musste«, sagte Fadia Latif, als Sumaya geendet hatte.
    Samson hätte gerne etwas Tröstliches gesagt. Aber was? »IhrMann musste sterben«, sagte er schließlich, »weil er für die Radikalen eine Gefahr darstellte. Al-Qaida, der Baron, Sinn, Nabulsi – sie alle wollten, dass er stirbt. Weil er genau das verkörpert hat, das die Islamhasser genauso wie die Dschihadisten hassen. Sie alle haben ihn ermordet. In gewisser Weise sogar gemeinsam, wenn auch unwissentlich.«
    Er sah zu Fadia Latif herüber. Eine Träne rollte ihre Wange hinunter. Aber er glaubte, so etwas wie Dankbarkeit in ihrem Blick zu erkennen.
    Für ein paar Minuten sagte niemand ein Wort. Aus der Ferne trug der leichte Abendwind das gedämpfte Lachen von einem der Restaurantschiffe herüber. Zwischendurch konnte Samson sogar das träge Plätschern des Nils hören.
    »Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Fadia Latif schließlich. »Ich meine, Sinn und dieser Baron, das sind
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