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Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Titel: Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
Autoren: Jonathan Kellerman
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geplagt.
    Auch Kripo-Beamte gewöhnen sich nur vermeintlich an die permanente Abstumpfung der Seele. Sie tun ihren Job, doch die giftige Schlacke ihres Alltags setzt sich unter der Oberfläche ab und lauert dort wie eine Landmine. Manche lassen sich irgendwann versetzen, andere suchen sich ein Hobby. Manche finden Halt im Glauben, andere lassen sich gehen. Manche, so wie Milo, erheben ihre Seelenpein zu einer Kunstform und berufen sich darauf, dass kein Einsatz wie der andere sei.
    Die Tote auf den Handtüchern war weder für ihn noch für mich ein Einsatz wie jeder andere. Die Bilder liefen in seinem Hirn ebenso in ständiger Wiederholung wie in meinem.
    Keiner von uns sprach ein Wort, während Gloria im Innern ihre Arbeit tat.
    Schließlich sagte ich: »Du hast den Pizzakarton markiert. Er gibt dir Rätsel auf.«
    »Alles an diesem Fall gibt mir Rätsel auf.«
    »Auf dem Karton steht kein Name. Gibt es hier in der Gegend Pizzadienste, die zu keiner Kette gehören?«
    Milo holte sein Handy heraus und rief mit einem Tastendruck eine Seite auf. Telefonnummern, die er bereits aus dem Netz gezogen hatte, erschienen, so viele, dass er über die Liste scrollen musste.
    »Achtundzwanzig kleine Pizzadienste in einem Radius von anderthalb Kilometer. Außerdem ein paar Ketten, Domino’s, Papa John’s und Two Guys, die ich ebenfalls überprüft habe. Keiner hat gestern Abend einen Boten zu dieser Adresse geschickt, und keiner benutzt diese speziellen Kartons.«
    »Wenn sie keine Pizza bestellt hat, warum hat sie ihn dann reingelassen?«
    »Gute Frage.«
    »Wer hat sie gefunden?«
    »Der Vermieter. Sie hatte sich vor ein paar Tagen wegen einer defekten Klospülung beschwert. Sie hatten einen Termin deswegen. Als sie auf sein Klingeln nicht reagierte, wurde er sauer und wollte schon gehen. Dann besann er sich aber eines Besseren und ging mit dem Ersatzschlüssel rein. Offenbar hat sie immer großen Wert darauf gelegt, dass alles gut funktioniert.«
    »Wo ist er jetzt?«
    Milo deutete über die Straße. »Genehmigt sich auf den Schock wahrscheinlich einen Schluck Feuerwasser, dort drüben in dem kleinen Tudor-Häuschen.«
    Ich folgte seinem Blick. Das Haus war das mit dem grünsten Rasen im ganzen Viertel, mit Blumenbeeten und kunstvoll getrimmten Büschen.
    »Irgendwas an ihm, das dich stört?«, fragte ich.
    »Bislang nicht. Warum?«
    »Sein Garten verrät, dass er ein Perfektionist ist.«
    »Ist das schlimm?«
    »In diesem Fall vielleicht schon.«
    »Nun«, sagte er, »im Augenblick ist er erst mal nur der Vermieter. Willst du was über die Tote wissen?«
    »Klar.«
    »Sie hieß Vita Berlin, sechsundfünfzig Jahre alt, lebte von irgendeiner Rente.«
    »Vita«, sagte ich. »Dann war es ihr Handtuch.«
    » Das Handtuch? Der Mistkerl hat sämtliche Handtücher aus ihrem Schrank gezogen.«
    »Vita bedeutet ›Leben‹ auf Lateinisch und Italienisch. Ich dachte, es wäre irgendein kranker Scherz.«
    »Was für eine reizende Idee. Ich warte jedenfalls, bis sich Mr. Belleveaux – der Vermieter – wieder beruhigt hat, damit ich ihn befragen und mehr über die Tote herausfinden kann. Nachdem ich mich vorhin schon mal in ihrem Schlafzimmer und im Bad umgesehen habe, weiß ich zumindest so viel: Wenn sie Kinder hatte, hat sie deren Fotos nicht aufgestellt, und wenn sie einen Computer hatte, dann wurde er gestohlen. Das Gleiche gilt für ein mutmaßliches Handy. Ich würde sagen, dass sie nichts davon besaß. Die Wohnung wirkt irgendwie muffig, als wäre sie zwar schon vor Jahren eingezogen, hätte aber nie irgendwas Neues dazugekauft.«
    »Ich habe keine Handtasche gesehen.«
    »Auf dem Nachttisch.«
    »Du hast das Schlafzimmer versiegelt – wolltest du nicht, dass ich da reingehe?«
    »Doch, doch, aber das kann warten, bis die Spurensicherung durch ist. Ich darf auf keinen Fall riskieren, dass uns was durch die Lappen geht.«
    »Aber im Wohnzimmer durfte ich sein?«
    »Ich wusste, dass du aufpassen würdest.«
    Logisch war das nicht. Doch Schlafmangel und böse Überraschungen wie diese konnten schon mal das Denkvermögen beeinträchtigen.
    »Irgendein Hinweis darauf, dass sie ins Schlafzimmer wollte, bevor er sie attackierte?«, fragte ich.
    »Nein, es ist unberührt. Warum?«
    Ich erzählte von meiner Idee mit dem Geld für den Pizzaboten.
    »Du meinst, sie wollte ihre Handtasche holen?«, sagte er. »Tja, ich weiß nicht, wie du das beweisen willst, Alex. Entscheidend ist, dass er vorne geblieben ist und sie nicht ins
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