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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss
Autoren: Bettina Broemme
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fließenden Bewegungen. Dass sie sogar ihre Art zu tanzen würde vermissen müssen, das hätte sie nicht gedacht. Sie spürte, wie der noch immer voll gefüllte Tank ihrer Heimwehtränen anschwoll, und schob sich durch die Menge nach draußen in die kühle Luft des klaren Herbstabends.
    Es dauerte keine halbe Minute, bis Yannik neben ihr auftauchte und seine Hände auf ihre Hüften legte. Sie wusste, wie es in ihren Augen schimmerte, und sah zu Boden. Seine Berührung fühlte sich gut an, besitzergreifend und klar, und das gefiel ihr in diesem Moment. Er hielt sie auf dem Boden. Langsam sah sie zu ihm auf. Er fixierte einen Punkt in der Ferne und es dauerte einen Moment, bis er ihren Blick erwiderte.
    »Heimweh?«, fragte er leise. Sie nickte nur.
    Yannik beugte seinen langen, schmalen Hals, Flora sah, dass er schluckte. Sie sah in diese grünbraunen Augen, die schimmerten wie das aufgewirbelte Wasser des »Teufelsschlund« an den Wasserfällen von Iguazú, und sah seinen Mund, der nun ihre Lippen berührte, und sie umschloss die seinen und sie fühlten sich feucht an, ein wenig rissig, weich und voll und dann spürte sie schon seine Zunge, die über ihre Zähne strich. Flora öffnete den Mund und Yannik drang hinein, sie saugten sich aneinander fest, während ihre Hände sich umklammert hielten, als könnten sie einander vor dem Ertrinken retten.
    Flora wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sich ihre Lippen voneinander lösten. Yannik küsste mindestens so gut wie Elizeu. Das stand fest. Sie spürte, dass der Kuss den Heimwehtränentank ein wenig geleert hatte, und schenkte dem Jungen ein Lächeln.
    »Mach deine Augen zu«, flüsterte er. »Sonst ertrinke ich darin. Ohne Aussicht auf Rettung.« Sie schloss die Augen, breit grinsend, und sofort küsste er sie ein weiteres Mal.
    »Mir wird kalt«, sagte sie irgendwann, als sie ihn losließ, und sie gingen in Richtung der Eingangstür des »Zirkel«. Es musste schon spät sein, längst nicht mehr so viele Menschen drängten sich vor und in der Disco.
    »Hey, du bist ja auch hier«, rief Flora erfreut, als sie Carina an der Tür lehnen sah. Carina lächelte ihr schwach entgegen und winkte müde mit der Hand.
    »Wollte gerade gehen«, sagte sie und nickte Yannik nur kurz zu. Sie schob den Ärmel ihrer abgewetzten Lederjacke hoch und kratzte sich ausgiebig.
    »Was ist das denn? Was hast du denn gemacht?«, fragte Flora entsetzt, als sie Carinas schmalen, blau schillernden Unterarm sah.
    Carina zuckte mit den Schultern und zog den Ärmel wieder nach unten. »Ach, ich hab mir den Arm in der Tür eingeklemmt. Total blöd. Das heißt, Udo wollte die Tür hinter mir zumachen und ich wollte gerade noch mal zurück in die Wohnung, weil ich was vergessen hatte. Na ja und zack – war der Arm eingeklemmt. Nicht so schlimm.«
    Flora nahm Carinas Hand und streichelte über den Lederärmel. »Och, du Arme«, sagte sie mitfühlend.
    Carina lächelte dankbar, entzog ihr aber den Arm. »Und, ihr Turteltäubchen«, wechselte sie das Thema. »Scheint so, als ob du dich schnell eingelebt hast, Flora.«
    Flora spürte, wie sie rot wurde. »Hast du uns gesehen?«, zischte sie, während Yannik nach drinnen ging, um ein weiteres Bier zu kaufen.
    »Na ja, wer hätte euch übersehen können?«, lachte Carina. »Aber ich sag dir: Pass auf! Yannik tut zwar immer wie ein braver Bub, aber der lässt dich genauso schnell fallen, wie er dich aufgegabelt hat.«
    Flora knuffte ihre Freundin in die Schulter. »Mann, wir haben doch nur ein bisschen geknutscht. Mehr war nicht. Ich hab überhaupt keinen Bock auf was Festes. War gut gegen Heimweh.«
    »Hoffentlich sieht er das auch so. Er ist angeblich tierisch eifersüchtig.«
    »Aber du hast doch gerade gesagt, dass er mich schnell wieder fallen lässt.«
    »Na und? Widerspricht sich doch nicht. Einerseits will er sich nicht ernsthaft auf jemanden einlassen, andererseits klammert er dann, wenn du nicht so willst wie er. Ist ’n bisschen krank der Typ.«
    Ehe Flora nachfragen konnte, kam Yannik mit drei Flaschen Bier zurück und verteilte sie großzügig. »Hast du ihr inzwischen erzählt, was für ein schlimmer Finger ich bin?«, fragte er Carina und nahm das so viel kleinere Mädchen spaßhaft in den Schwitzkasten.
    »Lass mich los«, zeterte Carina und trat ihm gegen das Schienbein.
    Yannik lachte. »Boah, du bist immer wie so ein ungezähmtes Wildpferd, das alle wegtritt.« Carina stellte sich näher zu Flora hin. »Meine Mutter sagt immer,
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