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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman
Autoren: Heyne
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keinen körperlichen Anfall erlitten, sondern lediglich eine Panikattacke. Wenn es darum ging, sich selbst etwas vorzumachen, stellte er sich so geschickt an wie jeder andere auch.
    Er hatte keinen Grund, ängstlich zu sein. Sein Leben war unproblematisch, la dolce vita , in mundgerechte Happen geschnitten und gebuttert.
    Samanthas Blick war in der Ferne aufs Wasser gerichtet, als sie sagte: »Winky.«
    »Ich sehe es.«
    Das Meer hob sich der Morgensonne entgegen. Dunkle Jade und Silber. Eine riesige, sich aufbäumende Wassermasse, die sich geschmeidig zum Punkt des Breaks wälzte.
    Ryan roch Salzwasser, das Jod blutenden Seetangs und schmeckte Salz.
    »Monumental«, rief Sam aus, während sie die Dünung begutachtete.
    »Monster«, stimmte er ihr zu.
    Statt sich aufzurichten, überließ sie ihm die Welle, ließ ihren Po auf dem Board und ihre Füße im Wasser, ein Köder für Haie.
    Ein großer Schwarm Möwen flog eilig landwärts. Die Vögel kreischten, als wollten sie die Strandbesucher warnen, ein Ungetüm, das Sandburgen zerstören und Picknickkörbe durchnässen würde, sei im Anrollen.

    Als der Augenblick der Entscheidung kam, stieg Sorge in Ryan auf. Er fürchtete, die Erregung während des Wellenritts könnte eine weitere … Episode auslösen.
    Er paddelte los, um die Welle zu erwischen, stellte sich am Wendepunkt auf die Füße, streckte die Arme aus, um die Balance zu halten, Finger gespreizt, Handflächen nach unten, und erwischte die Welle, einen perfekten Peeler, der sich nicht aufspaltete, sondern stattdessen so glatt wie Eis hinabströmte. Die Bewegung der Welle verdrängte die warme Luft und ein kühler Wind stieg an der gewölbten Wand auf und drückte gegen seine flach ausgestreckten Handflächen.
    Dann war er in einer Röhre, einem Glashaus, hinter dem Vorhang der Welle, die sich brach, und schoss durch die Rolle. Seine Befürchtungen zerplatzten wie Seifenblasen und lösten sich restlos auf.
    Er benutzte jeden Trick, um mehr Schwung zu kriegen, und tauchte, bevor sie in sich zusammenkrachte, aus der Röhre auf. Hinein in das Glitzern der Sonne auf Wasser mit filigranem Schaum. Der Tag war so real, so richtig. Bloß keine Furcht , schalt er sich selbst. Nur so ließ es sich leben.

    Den ganzen Morgen über und bis in den Nachmittag hinein waren die Wellen Monolithen. Die ablandige Brise wurde kräftiger und wehte flüssigen Rauch von den Oberkanten der Wellen.
    Das Strandlaken war kein Ort, um sich zu bräunen. Es diente der Wiederherstellung, dem Herausmassieren von Zuckungen aus überstrapazierten Muskeln, der Trockenlegung von Nebenhöhlen, die das Meerwasser überschwemmt
hatte, dem Herauskämmen von Tangfäden und verkrustetem Salz aus dem Haar, der Einstimmung auf die nächste Runde und dem gegenseitigen Aufputschen.
    Normalerweise blieb Ryan gern bis zum späten Nachmittag, wenn sich die ablandige Brise legte und die Wellen sich nicht mehr zu Röhren aushöhlten, wenn die Sehnsucht nach der Ewigkeit - die der Ozean verkörperte - von der Lust auf Burritos und Tacos abgelöst wurde.
    Aber um halb drei überkam ihn während einer Auszeit auf dem Strandlaken eine wohltuende Müdigkeit von der Sorte, die auf gute Leistungen folgt. Seine Ermüdung hatte etwas Köstliches an sich, eine Süße, die den Wunsch in ihm weckte, die Augen zu schließen und sich von der Sonne schmelzen zu lassen, bis er übergangslos in den Schlaf hineinfloss …
    Während er mühelos in einem Abgrund schwamm, der von Wolken phosphoreszierenden Planktons in ein schummeriges Licht getaucht wurde, vernahm er eine Stimme aus der Tiefe: »Ryan?«
    »Hmmm?«
    »Hast du geschlafen?«
    Er fühlte sich, als schliefe er immer noch, als er die Augen aufschlug und ihr Gesicht über sich sah: Schönheit von mythologischen Ausmaßen, strahlende Augen, die exakt den Farbton eines grünen Meeres hatten, mit einer Patina aus dem Blau des Sommerhimmels überzogen, goldenes Haar, das von einem Kranz aus Sonnenstrahlen gekrönt wurde. Eine Göttin, die Urlaub vom Olymp machte.
    »Du hast geschlafen«, sagte Samantha.
    »Zu viel hohe Brandung. Ich bin total kaputt.«
    »Du? Wann warst du jemals total kaputt?«

    Er setzte sich auf dem Strandlaken auf und sagte: »Irgendwann muss das erste Mal ja kommen.«
    »Du willst dich tatsächlich geschlagen geben?«
    »Ich habe das Frühstück ausgelassen. Und das Mittagessen haben wir auch ausfallen lassen.«
    »In der Kühltasche sind Müsliriegel mit Kirschen und Schokolade.«
    »Mich kann nur
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