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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman
Autoren: Heyne
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Vierteljahrhundert älter als er selbst war.
    Er parkte in einer von Bäumen gesäumten Straße mit hübschen Häusern und trug sein Board eine Kreuzung weit zum Hauptstrand von Newport.
    Das Meer schlug mit rhythmischem Donnern ans Land.
    Sie erwartete ihn am üblichen Treffpunkt, auf halber Strecke zwischen der Hafeneinfahrt und dem Pier. Dort hatten sie das erste Mal gemeinsam gesurft.
    Ihre Wohnung über einer Garage war zu Fuß drei Minuten entfernt. Sie hatte ihr Board, ein Strandlaken und eine kleine Kühltasche mitgebracht.
    Obwohl er sie gebeten hatte, den roten Bikini zu tragen, erschien Samantha ganz in Gelb. Er hatte insgeheim auf den gelben Bikini gehofft, aber wenn er diesen Wunsch geäußert hätte, wäre sie in Rot, Blau oder Grün erschienen.
    Sie war so vollkommen wie eine Fata Morgana, blondes Haar und eine goldfarbene perfekte Figur, wie eine verlockende Oase auf dem breiten, leicht zum Wasser abfallenden sonnendurchglühten Sand.
    »Was sind denn das für Sandalen?«, fragte sie.
    »Todschick, was?«
    »Sind die aus alten Autoreifen gemacht?«
    »Ja. Das Beste, was es im Moment auf dem Markt gibt.«
    »Kaufst du dir dazu noch einen Hut, der aus einer Radkappe gemacht ist?«

    »Gefallen sie dir nicht?«
    »Wenn du einen Platten hast, bringt dir der Automobilclub dann einen neuen Schuh?«
    Er trat sich die Sandalen von den Füßen und sagte: »Also, mir gefallen sie.«
    »Wie oft müssen sie ausgewuchtet werden?«
    Der Sand war weich und heiß und verschob sich unter den Füßen, aber dort, wo die plätschernde Brandung ihn wie ein Glättbalken bearbeitete, war er fest zusammengepresst und kühl.
    Als sie ins Meer hinauswateten, sagte er: »Ich schmeiße die Sandalen weg, wenn du das nächste Mal den roten Bikini trägst.«
    »In Wirklichkeit hast du dir diesen gelben hier gewünscht.«
    Er unterdrückte sein Erstaunen über ihren Scharfsinn. »Weshalb sollte ich dich dann bitten, den roten anzuziehen?«
    »Weil du nur glaubst , du könntest mich durchschauen.«
    »Aber ich bin ein offenes Buch, was?«
    »Winky, im Vergleich zu dir ist noch das simpelste Geschichte von Dr. Seuss so komplex wie Dostojewski.«
    Sie legten ihre Bretter aufs Wasser, sich selbst flach darauf und paddelten auf den Punkt des Breaks zu.
    Er erhob seine Stimme, um den Lärm der Brandung zu übertönen: »War das mit diesem Seuss eine Beleidigung?«
    Ihr silberhelles Lachen weckte in Ryan Erinnerungen an Geschichten über Nixen und die zahllosen Geheimnisse der Tiefe.
    Sie sagte: »Keine Beleidigung, Süßer. Das war ein Kuss in sechzehn Worten.«

    Ryan machte sich gar nicht erst die Mühe, sich an den exakten Wortlaut zwischen Winky und Dostojewski zu erinnern und die Wörter nachzuzählen. Samantha entging nichts, sie vergaß nichts und sie war in der Lage, Gespräche vollständig wiederzugeben, die man vor Monaten geführt hatte.
    Manchmal fand er sie ebenso beängstigend wie reizvoll, und das schien ihm gut so. Samantha würde niemals vorhersehbar oder langweilig sein.
    Die Wellen rollten in gleichmäßigen Abständen, wie Güterwaggons, jeweils vier oder fünf hintereinander. Zwischen diesen Sets lagen Phasen relativer Stille.
    Während der Flaute paddelten Ryan und Samantha zum Line-up. Dort setzten sie sich rittlings auf ihre Bretter und beobachteten, wie sich die erste Dünung eines neuen Sets zum Break wälzte.
    Von so nahe betrachtet war das Meer nicht so ruhig und blau, wie es von seinem Haus in den Hügeln gewirkt hatte, sondern so dunkel wie Jade und herausfordernd. Die nahende Dünung hätte der gewölbte Rücken eines schuppigen Leviathans sein können, größer als tausend Haie, in der Tiefe geboren, der sich jetzt erhob, um sich von der sonnenbeschienenen Welt zu nähren.
    Sam sah Ryan an und grinste. Die Sonne erkundete ihre Augen und brachte in ihnen das Blau des Himmels, das Grün des Meeres und die Freude darüber ans Licht, harmonisch mit Millionen Tonnen Wasser vereint zu sein, die in Richtung Küste gestoßen wurden - von Stürmen, die in dreitausend Meilen Entfernung tobten, und vom Mond, der jetzt auf der dunklen Seite der Erde stand.
    Sam erwischte die zweite Welle des Sets: erst auf beiden Knien, dann auf einem, schließlich stehend, flink und sauber
- und fort war sie. Sie ritt den Kamm und überquerte dann mit einem Floater die Welle.
    Als sie auf der schäumenden Oberkante der Welle aus seinem Blickfeld glitt, dachte Ryan, die Sturzwelle, viel größer als alle in den vorangegangenen Sets,
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