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Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel
Autoren: Stuart Neville
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irgendwelchen Firlefanz.
    »Eddie McCrae und ich haben einen Anruf gekriegt, wir sollen zum Harbour Estate kommen«, berichtete Connolly. Sein Partner McCrae war immer noch Constable, obwohl er zehn Jahre älter war. »Ein Mann tot, habe ich selbst überprüft. Einer verletzt. Krankenwagen ist unterwegs. Eddie leistet ihm Erste Hilfe, es sieht aber übel aus. Und jetzt kommt das Schlimmste: Er ist Hafenpolizist. Besser, Sie kommen her.«
    Lennon sackte auf seinem Stuhl zusammen. »In Ordnung. Geben Sie mir dreißig Minuten.«
    Er hängte ein und wählte eine Amtsleitung. Es klingelte sechs Mal, bevor er eine alkoholgeschwängerte Stimme hörte.
    Detective Chief Inspector Jim Thompson, der Leiter von Lennons Major Investigation Team , hörte am anderen Ende gähnend zu. Als Lennon Connollys Bericht durchgegeben hatte, sagte Thompson: »Das hätten Sie mir doch auch alles morgen früh erzählen können. Ich habe Gäste da.«
    »Sie sind der Leiter meines MIT«, sagte Lennon. »Ich bin gehalten, Sie als Ersten zu informieren.«
    »Und Sie sind der ranghöchste diensthabende Beamte. Sie haben den Anruf entgegengenommen. Jetzt kümmern Sie sich auch gefälligst darum, verdammt.«
    »Ich habe nicht genügend Leute, um ein Team zusammenzustellen.«
    »Da draußen ist es doch stockdunkel. Bis morgen früh kann der Tatort sowieso nicht ordentlich unter die Lupe genommen werden. Schaffen Sie einfach nur einen von der medizinischen Bereitschaft hin und jeden anderen, den Sie erwischen können. Sorgen Sie dafür, dass der Tatort gesichert wird und so weiter, die  übliche Prozedur. Morgen kann dann der Assistant Chief Constable übernehmen. Sie werden ja wohl in der Lage sein, wenigstens das hinzukriegen. Und jetzt rufen Sie mich nicht noch einmal an, es sei denn, der Himmel fällt uns auf den Kopf, verstanden?
    »Verstanden«, sagte Lennon.
    Er würde nie ergründen können, wie Jim Thompson es je zum Detective Chief Inspector gebracht hatte. Seit vier Monaten war er jetzt schon in Thompsons Dezernat und hatte es seither noch nicht einmal erlebt, dass sein Vorgesetzter für irgendetwas den Kopf hinhielt, wenn er nicht unbedingt musste. Delegieren nannte Thompson das. Lennon nannte es Drückebergerei.
    Es stimmte allerdings, dass man heute Nacht wenig mehr tun konnte, als den Tatort zu sichern und vom Rechtsmediziner den Tod feststellen zu lassen. Morgen würde dann der Assistant Chief Constable ein Ermittlerteam zusammenstellen. Lennon brauchte im Augenblick nichts weiter zu tun, als alles Punkt für Punkt abzuhaken. Trotzdem schwoll ihm der Kamm bei der Vorstellung, dass Thompson jetzt weiter vergnügt Weihnachten feiern konnte, während da draußen am Wasser ein Toter lag.
    Mit seinen Detective Chief Inspectors hatte er offenbar einfach kein Glück. Dass er heute Abend hier hockte, hatte er DCI Dan Hewitt zu verdanken. Beweisen ließ sich das allerdings nicht, und überhaupt musste Lennon sich eingestehen, dass dahinter durchaus auch nur sein eigener Verfolgungswahn stecken konnte. Trotzdem drängte der Gedanke sich auf – vor allem, wenn man bedachte, dass Hewitt Lennon vor über einem Jahr verraten hatte. Marie McKenna hatte es das Leben gekostet, und Ellen wäre es fast ebenso ergangen.
    Hewitt hatte viele Geheimnisse, und Lennon hatte so viele davon aufgedeckt, dass er seinem ehemaligen Freund das Leben schwermachen konnte, sollte er je beschließen, sie preiszugeben. Fürs Erste jedoch hielt er die Informationen unter Verschluss, teils in seinem Kopf, teils auf Papier. Ein Jahr lang hatte er die Akten durchkämmt auf der Suche nach Verbindungen zwischen Hewitt und Fällen, bei denen es nie zu einer Strafverfolgung gekommen war. Herzlich wenig war aktenkundig, weil sein alter Freund zurverschwiegensten Abteilung innerhalb der Polizei gehörte, dem Geheimdienst C3, dessen verborgene Umtriebe jenseits seiner eigenen, abgesicherten Büroräume nur selten zutage traten.
    Einiges allerdings hatte Lennon in einer verschlossenen Box zu Hause in seiner Wohnung deponiert. Nicht genügend, um Hewitt zu Fall zu bringen, aber doch genügend, um ein paar unangenehme Fragen aufzuwerfen, falls es hart auf hart kam.
    Vielleicht waren diese ganzen kurzfristig angekündigten Nachtschichten ja auch nur Zufall. Ebenso konnte es Zufall sein, dass nur noch so wenige von Lennons alten Informanten bereit waren, mit ihm zu reden. Natürlich kam es ständig vor, dass irgendwelche Beweise verlegt wurden, aber zwei von Lennons Fällen waren
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