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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst
Autoren: J Patterson
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Näher hätten wir nicht am Geschehen sitzen können.

10
    Ich riss den Kopf herum, um zu sehen, wo der fürchterliche Schrei herkam. Sobald ich begriff, was passierte, wünschte ich, ich hätte nicht hingeschaut. Doch es war zu spät, und ich konnte mich nicht mehr abwenden. Eigentlich konnte ich gar nichts mehr tun. Es war so schnell vorüber, dass mir keine Zeit blieb, um zu helfen.
    Zwei Männer.
    Ein Messer.
    Beide Augen!
    Ein Chor aus Schreien und Rufen erfüllte das Restaurant, als der Mann mit dem Messer den Kopf des anderen Mannes losließ. Blut spritzte aus den leeren Augenhöhlen, leblos brach das Opfer über dem Tisch zusammen.
    Ganz hinten in meinem Hirn blitzte ein kleines Licht auf: Ich kenne ihn.
    Nicht den Mann mit dem Messer, den anderen. Der Mörder kam mir nicht vertraut vor, er sah nicht einmal wie ein Mensch aus.
    Er bewegte sich wie ein geölter Blitz, ohne eine innere Regung zu zeigen. Eiskalt steckte er das Messer in seine Jackentasche, beugte sich nach vorn und füsterte seinem Opfer etwas ins Ohr.
    Ich konnte nicht hören, was … doch er füsterte dem Sterbenden eindeutig etwas ins Ohr.
    Erst jetzt blickte ich zu Dwayne hinüber, der genauso aussah, wie ich mich fühlte. Völlig schockiert. Auch er schien die gefüsterten Worte des Mörders nicht verstanden zu haben.

    Doch was nun folgte, war für jedermann im Lombardo’s deutlich hörbar.
    Der Mörder begann Richtung Küchentür zu gehen, als ein Mann hinter ihm »Stehen bleiben!« rief.
    Ich drehte mich um und erblickte zwei Männer mit gezogenen Waffen. Polizisten? Wenn ja, trugen sie keine Uniformen.
    »Ich sagte: ›Stehen bleiben‹!«, wiederholte der eine.
    Sie hatten den Mörder aus sieben Meter Entfernung ins Visier genommen.
    Teller, Besteck und ganze Tische krachten zu Boden, als die Gäste loskrabbelten, um dem zu entkommen, was als Nächstes passieren würde.
    Der Mörder blieb stehen und drehte sich zu den beiden bewaffneten Männern um. Eine Sonnenbrille verdeckte seine Augen.
    Er sagte nichts, bewegte sich kaum.
    »Nehmen Sie langsam die Hände nach oben!«, bellte der zweite Mann. Sie klangen eindeutig nach Polizisten.
    Der Mörder lächelte nur. Es war ein widerliches, schräges Grinsen, das genau zu dem Mord passte, den er soeben begangen hatte. Seine Hände allerdings ließ er, wo sie waren.
    »Nehmen Sie Ihre verdammten Hände nach oben!«, ertönte die zweite Warnung.
    Mein Blick schnellte zwischen dem Mörder und den beiden Männern hin und her. Ein Unentschieden. Eine Seite musste nachgeben, und alles, einschließlich der Pistolenmündungen, deutete auf den Mörder.
    Plötzlich riss er die Hände hoch, doch nicht ohne vorher einen Umweg gemacht zu haben. Blitzschnell griff er in seine Jacke und zog seinerseits zwei Waffen heraus.
    Sprecht ihr mit mir? Ihr sprecht mit mir? Ja, was glaubt ihr denn, mit wem ihr es hier zu tun habt?

    Mit noch ungetrübten Reflexen ließ sich Dwayne auf den Boden fallen. Ich folgte ihm mit geschlossenen Augen, als über unseren Köpfen das Chaos ausbrach. Schüsse pfiffen durch den Raum. Menschen schrien.
    Menschen starben.
    Als endlich das Chaos nachließ und ich nur noch das Schluchzen und Keuchen der Menschen auf dem Boden um mich herum hörte, öffnete ich meine Augen wieder.
    Und musste mich beinahe übergeben.
    Aus einer Blutlache auf dem Hartholzboden starrte ein frisch ausgeschnittenes Auge direkt zu mir herauf.

11
    Auf wackligen Beinen und mit sich drehendem Magen erhob ich mich langsam und blickte auf das Meer aus umgekippten Tischen und Stühlen, zerbrochenen Tellern und dem überall verteilten Essen. Schockiert und verwirrt stellte jeder jedem dieselbe Frage: »Sind Sie verletzt?«
    Die Antworten wurden vom durchdringenden Klang der Sirenen übertönt. Ich hatte kaum Zeit, meinen Rekorder zu schnappen, als die New Yorker Polizei das Restaurant stürmte, alle Ausgänge blockierte und uns im Barbereich wie Schafe einpferchte.
    Bald stellten alle eine andere Frage: »Haben wir nicht schon genug mitgemacht?«
    Ein paar ehrgeizige Polizisten mischten sich unter uns und versuchten rasch, so viele Informationen zu sammeln wie möglich, bevor die Ermittlungen an die Detectives übergeben würden. Sie wollten sich aber auf keinen Fall von den High-Society-Gästen anschnauzen lassen, die um alles auf der Welt das Lokal verlassen wollten.
    »Sie haben aber auch Probleme«, hörte ich sarkastisch einen der Beamten sagen, als sich ein Mann in eng sitzendem Hemd und mit rotem Gesicht
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