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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst
Autoren: J Patterson
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entkommen, weil die Polizei die aufgebrachte Menschenmenge, die sich wie der wahre Pöbel benahm, nicht kontrollieren konnte.
    Jedenfalls hatte ich keine Lust, am Abend auf eine Party zu gehen, doch Courtney akzeptierte kein Nein, nicht einmal unter diesen Umständen.
    »Du kommst, basta. Du hast es versprochen«, beharrte sie am Telefon. »Abgesehen davon musst du dich von dem, was heute passiert ist, ablenken. Die Dinge separieren, Nick. Pack die Sache erst einmal in eine Kiste.«
    Ich musste fast lachen. Separieren? In eine Kiste packen? Das war Courtney in Höchstform. Oder schlimmer.
    Seit ich sie vor zehn Jahren beim Bankett für die National Magazine Awards kennengelernt hatte, habe ich noch keinen Menschen getroffen, der – mir fällt kein besseres Wort ein – besser separieren konnte als sie. Wie jeder normale Mensch war sie über die Ereignisse im Lombardo’s schockiert und entsetzt, doch sie war auch in New York geboren und aufgewachsen und wusste, wie wichtig es war, mit dem Leben weiterzumachen, egal was einem passiert war.
    Dabei war es nicht einfach nur hohles Geschwätz, das Courtney von sich gab. Ihr jüngerer Bruder hatte im Südturm
des World Trade Center gearbeitet. Neunundsiebzigster Stock. Sie hatte ihn wirklich geliebt.
    Also betrat ich um acht Uhr abends die prachtvolle, mit Marmor verkleidete Astor Hall in der New York Public Library. Die Party wurde zu Gunsten von New York Smarts veranstaltet, einem städtischem Förderprogramm für Grundschüler. Courtney gehörte dem Vorstand an und hatte im Namen des Citizen einen Tisch für zehn Personen reserviert. Gut für sie. Und noch besser für die Kinder. Mit tausend Dollar pro Teller lässt sich viel fördern.
    »Da bist du ja!«, hörte ich hinter mir. Courtney hatte mich dort gefunden, wo man mich bei dieser Art von Festen immer antrifft: an der Bar. »Und ich sehe, du hast den Hausmarke-Scotch entdeckt.«
    Das hatte ich tatsächlich. Es handelte sich um einen 15 Jahre alten Laphroaig, der zufällig mein Lieblingswhisky war. Courtney genoss offenbar einen gewissen Einfuss auf das Schnapskomitee der Veranstalter.
    »Danke«, sagte ich und neigte mein Glas in ihre Richtung. »Den hatte ich wirklich nötig.«
    »Gern geschehen. Versuch doch einfach noch ein bisschen für die anderen Gäste übrig zu lassen, wenn du kannst«, entgegnete sie mit unbewegtem Gesicht.
    »Gut, aber nur ein bisschen.«
    Courtney nahm sich ein Glas Champagner von einem der Tabletts, mit denen die Kellner durch die Halle gingen. »Nun ja, so viel zu der Möglichkeit, dich heute Abend abzulenken«, sagte sie.
    »Was meinst du damit?«
    »Das Lombardo’s ist das Partygespräch, Nick. Ach, Quatsch, das Stadtgespräch.«
    Ich war kaum überrascht.

    Auf dem Titelblatt der New York Post hatte die Überschrift »Der Tod des Tages!« geprangt. In der Zwischenzeit waren die lokalen und überregionalen Fernsehsender vor Ort. Als sie mit fünf Kanälen vor dem Lombardo’s auf Sendung gingen, konnten sie bereits die Identität des ersten Opfers bekanntgeben – des Mannes, der am Tisch neben mir und Dwayne gesessen hatte.
    Ich hätte schwören können, dass ich ihn gekannt hatte, und ich hatte recht gehabt.
    Er hieß Vincent Marcozza und war seit ewigen Zeiten Anwalt  – Verzeihung, consigliere  – für Eddie »der Prinz« Pinero gewesen, den angesehenen Bandenchef aus Brooklyn.
    »Alle sind überzeugt, dass heute der Tag der Rache war«, erklärte Courtney.
    Ich nickte. »Scheint so.«
    Eddie »der Prinz« Pinero war in der Woche zuvor verurteilt worden, weil er als Kredithai Zinsen in einer Höhe kassiert hatte, bei der jeder Kreditkartengesellschaft die Röte ins Gesicht steigen würde.
    Es war der erste Fall gewesen, in dem es Vincent Marcozza, in jedem Sinne des Wortes ein juristisches Schwergewicht, nicht geschafft hatte, seinen größten Mandanten rauszupauken. Na ja, immerhin hatte auch Bruce Cutler nicht jede Verhandlung für John Gotti gewonnen.
    Doch Marcozzas Leistung vor Gericht war von Rechtsexperten scharf kritisiert worden. Er sei untypischerweise schluderig und teilweise offenbar auch unvorbereitet gewesen. Jeffrey Toobin hatte auf CNN berichtet: »Marcozza hatte seine Augen dieses Mal nicht auf den Ball gerichtet.«
    Ah ja, seine Augen also.
    Courtney hob ihr Champagnerglas und zwinkerte mir mit ihren großen blauen Augen zu. »Auf dich, Nick.«

    »Auf mich? Warum?«, fragte ich.
    »Erst einmal dafür, dass du lebst«, begann sie. »Ich hatte keine
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