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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst
Autoren: J Patterson
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damals, als er zum siebten und entscheidenden Spiel der World Series einfach nicht erschienen war.
    Plötzlich fühlte ich mich wie der Junge, der während des Black-Sox-Bestechungsskandals von 1919 auf der Treppe zum Gericht von Chicago den Baseballspieler Shoeless Joe Jackson anfehte.
    Sag, dass das nicht wahr ist, Dwayne. Sag, dass das nicht wahr ist …
    Doch … es war wahr.
    Aber nicht Robinson war der Trottel, sondern ich.

8
    Man kann mich einen Faulpelz nennen, aber nachdem ich von blutrünstigen, schießwütigen Milizsoldaten gejagt worden, von einem rasenden Jeep gesprungen und unzählige Kilometer zu einem karrierefördernden Interview gefogen war, das nicht stattgefunden hatte, beschloss ich, am nächsten Tag blauzumachen. Ich ließ mich weder in meinem Büro beim Citizen blicken, noch hatte ich vor, zu Hause zu arbeiten, was ich hin und wieder mit mäßigem Erfolg schaffe.
    Stattdessen verbrachte ich den Vormittag entspannt im Bett, mit Kaffee – weiß, ohne Zucker –, der New York Times  – zuerst den Sportteil, dann das Feuilleton und schließlich den Nachrichtenüberblick – und einer meiner Elvis-Costello-Lieblingsplatten  – My Aim Is True.
    Und mit Platte meine ich wirklich Platte. Nichts gegen CDs und MP3, aber ein Klang, der dem Ton einer Nadel auf Vinyl gleichkommt, muss erst noch erfunden werden. Stimmt, ich gehöre zu diesen Leuten, ich bin ein Purist, der immer noch auf seine LP-Sammlung schwört.
    Kurz nach Mittag wagte ich mich ins Sunrise Diner, mein Stammlokal, das ein paar Blocks südlich meiner Wohnung lag. Mir wurde gerade mein Essen – Käseomelett, Wurst, schwarzer Kaffee – vorgesetzt, als Courtney anrief.
    »Wo bist du?«, fragte sie mit Panik in der Stimme.
    »Im Sunrise, kurz davor, in ein köstliches Omelett zu beißen.«
    »Nicht!«, warnte sie. »Halte dich von diesen Eiern fern!«
    »Warum sollte ich das tun?«

    »Weil du schon zu spät dran bist.«
    Für was?
    Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, bis der Groschen bei mir fiel, ohne dass es noch eines weiteren Wortes bedurfte. »Du willst mich verarschen«, sagte ich nur.
    »Nein, will ich nicht. Sein Agent hat mich gerade angerufen. Dwayne Robinson sitzt genau in diesem Moment im Lombardo’s und wartet auf dich.«
    »Er dachte, unser Termin sei heute?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe nicht unbedingt auf eine Entschuldigung gepocht«, entgegnete Courtney. Zumindest dachte ich, dass sie das sagte. Ich drückte bereits die Austaste meines Telefons.
    »Zahlen, bitte!«
    »Stimmt was mit dem Omelett nicht, Nick? Ich hol Ihnen ein anderes, Schätzchen.«
    »Nein, nein, es sieht ganz toll aus, Rosa. Ich muss nur schnell weg. Tut mir leid.«
    Zum Glück hatte ich meine Umhängetasche dabei – dieselbe braune Ledertasche, die ich seit dem College-Abschluss mit mir herumschleppe. Wie immer befand sich darin das, was ich für ein Interview unbedingt benötige: mein Kassettenrekorder. Eigentlich handelt es sich um ein digitales Aufnahmegerät, aber dank meiner puristischen Ader habe ich mich immer noch nicht daran gewöhnt, es auch so zu nennen. Und werde es vielleicht nie tun.
    Aus dem Sunrise stürmend, ergatterte ich ein Taxi Richtung Süden. Dem Fahrer bot ich fünf Dollar extra für jede rote Ampel, die er überfuhr. Acht Minuten und fünfundzwanzig Dollar später hielten wir mit quietschenden Reifen vor dem Lombardo’s.
    Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen betrat ich
das gleiche belebte Steakhouse zum Mittagessen. Wie Yogi Berra, mein Lieblingsfänger der Yankees, zu sagen pfegte: »Man hat ständig ein Déjà-vu nach dem anderen.«
    Passenderweise begrüßte mich die gleiche Empfangsdame  – »Tiffany, oder?« – wie am Vortag. Sie nahm mir meine Lederjacke ab und führte mich an den gleichen Tisch im hinteren Bereich.
    Und da saß er in Fleisch und Blut. Dwayne Robinson. Die Legende. Der gefallene Engel. Und eindeutig das größte Sportlerrätsel aller Zeiten.
    »Ich hatte schon gedacht, Sie kommen nicht mehr«, grüßte er.
    Du mich auch, Kumpel.

9
    Ich wusste ehrlich nicht, was mich erwartete, als ich mich ihm gegenübersetzte. Ich wusste nur, meine Aufgabe war, objektiv zu sein, doch manchmal ist es ziemlich schwer, wenn nicht unmöglich, seine Gefühle auszublenden. Ich hatte Dwayne Robinson verehrt, doch das war Ewigkeiten her. Jetzt war er nur ein Mann, der sein außerordentliches Talent verspielt hatte, und wenn ich etwas für ihn empfand, dann Verärgerung.
    Vielleicht war ich deswegen
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