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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt
Autoren: F Steinhauer
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Rede sein konnte, wenn man beim Heruntersehen am Körper nicht mehr feststellen konnte, ob man männlich oder weiblich war – und das war schließlich bei ihm noch kein Problem.
    Seit das mit Birgit passiert war, hatte er sich etwas in die Breite entwickelt. Waschbär statt Waschbrett, zog Jule ihn manchmal auf. Aber er fand, die stattlichere Figur passte ganz gut zu seinem Typ. Er war immerhin einsachtundneunzig groß, da durfte es schon etwas mehr Mann sein. Seit damals trug er grundsätzlich schwarz. Vielleicht zunächst wirklich als Ausdruck tiefer Depression; heute eher, weil es immer gut angezogen wirkte und er blind in den Schrank greifen konnte: Alles passte zu allem.
    Wieder im Einklang mit sich und der Welt griff er nach dem Shampoo, das seine Schwester ihm neulich von einem Shoppingbummel in Berlin mitgebracht hatte und begann sich die noch immer dichten, langen Haare einzuschäumen, die er während der Arbeit mit einem Gummi zu einem Zopf zusammenband. Sein Blick fiel beiläufig auf das Etikett, das seine Schwester daran gehängt hatte: »Cool mind, clear head« las er, schnupperte prüfend und lachte. »Pfefferminzshampoo!«
    Erstaunt registrierte er etwas, was tatsächlich einem kühlen Luftzug am Kopf vergleichbar war. Seine kleine Schwester war eben immer für eine Überraschung gut!
     
    Das Telefon schrillte.
    »Das wird Sophie sein!«, rief seine Tochter Jule fröhlich aus dem Flur. »Ich geh schon!«
    Peter Nachtigall musste sich eingestehen, dass er seine pubertäre Tochter in diesem – wie leider auch in manch anderen Punkten – nicht recht verstehen konnte. Da verbrachte sie ihren gesamten Schultag an Sophies Seite, traf sich mit ihr am Nachmittag zu einem Stadtbummel und bis zum Abendessen waren schon wieder so viele Neuigkeiten aufgelaufen, dass man sie in endlosen Telefonaten in aller Ausführlichkeit besprechen musste. Er seufzte. Da würde er wohl mal wieder ganz allein kochen müssen.
    Vielleicht gefüllte Omelette, überlegte er, mit Hackfleisch und Pilzen für ihn und für seine vegetarische Tochter mit einer Gemüsemischung. Hmm, ihm lief das Wasser im Mund zusammen, er würde die Füllung in die Omelette einrollen und dann das Ganze mit Käse überbacken.
    »Papa! Für dich! Dein Herr Wiener«, Jule öffnete die Badezimmertür einen Spalt breit. »Er klingt ziemlich aufgeregt. Sicher ein Einsatz!«, flötete sie.
     
    »Nachtigall!«, meldete er sich Sekunden später zackig und seine Tochter bedeutete ihm im Vorbeigehen, sein feuchter Handtuchlook sei überaus sexy. Er zog eine Grimasse. Jule schenkte ihm ein maliziöses Lächeln und verschwand mit wiegenden Hüften.
     
    »Ja, Wiener hier. Ich bin auf dem Weg zum Badesee Madlow. Eine Frau hat uns ag’rufe, sie hätt hier drauße am Madlower Badesee eine Frauenleich g`funde. Im Wald. Fein säuberlich aufgebahrt. Die Kollege drauße meine, es sähe sehr nach Sexualmord aus – der Täter hätt sei Opfer sogar grausig verstümmelt. Also ehrlich – ich hab’ überhaupt noch nie eine verstümmelte Leich g’sehe.« Die knabenhafte Stimme des Kollegen klang unsicher. Wenn er aufgeregt war, vergaß er auch regelmäßig Hochdeutsch zu reden.
    »Mensch, wir haben doch heute gar keinen Dienst! Wieso haben die nicht das Team informiert, das heute dran ist, also Hansen und Wolf?«
    »Die sinn net erreichbar gewese. Vielleicht ein Funkloch. Un ich hab halt no im Büro am Computer g’sesse.«
    »Pech also. Michael, Sie haben mich aus der Dusche geklingelt, ich hatte noch keine Zeit mich abzutrocknen und gegessen habe ich auch noch nichts – ergo ist meine Stimmung so richtig schlecht. So! Das wäre geklärt! Dann schießen Sie mal los!«, fauchte Peter Nachtigall und ließ sich mürrisch weitere Einzelheiten geben.
     
    Eine Viertelstunde später stieg er zu seinem Kollegen Skorubski ins Auto. Die gelöste Feierabendstimmung hatte sich längst vollständig verflüchtigt.
    »Eine verstümmelte Leiche am Badesee Madlow.«
    Skorubski nickte ernst.
    »Ich hab schon über Funk davon gehört. Auf dem Heimweg vom Einkaufen.«
    »Hannes und Wolf waren nicht erreichbar«, klärte Hauptkommissar Nachtigall seinen Partner auf.
    »Ja, ja ich weiß schon«, grummelte der und meinte dann: »Eine verstümmelte Frauenleiche! Ich kann mich nicht erinnern, dass wir hier schon mal so was hatten.«
    »Aus dem Badesee haben wir ja schon öfter mal einen Toten rausgefischt«, Peter Nachtigall zog die Jacke fester und verschränkte die Arme vor der
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