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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt
Autoren: F Steinhauer
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Gegenstand. Sie starrte ihn sekundenlang an.
    Ein Schweizer Taschenmesser.

2
    2. November
     
    »Onkel Tom! Onkel To-om! Nun komm schon her! Es ist kalt, es regnet. Komm, lass uns ins Warme gehen!«
    Sie lauschte. Hatte da nicht was gemaunzt?
    »Onkel Tom? Was soll denn das Versteckspiel? So was kann man im Sommer machen – aber doch nicht im November! Onkel Tom! Ich friere!«, rief sie nun schon ungnädiger.
    In der Hand hielt sie eine Pappschachtel mit Trockenfutter, die sie kräftig schüttelte. Onkel Toms Lieblingsgeräusche hatten alle etwas mit Essen zu tun. Besonders liebte er das leise Schmatzen beim Öffnen der Kühlschranktür. Doch das Rascheln in der Packung lockte ihn sonst auch zuverlässig an. Wo steckte der Kater nur?
    In ihre Besorgnis mischte sich zunehmend auch eine gehörige Portion Ärger. Sie arbeitete sich ein Stück durch das Unterholz in die Richtung, aus der sie das Maunzen gehört zu haben glaubte. Irgendwo musste Onkel Tom doch stecken! Im Grunde war er doch bei Regen auch nicht gerne draußen – und schon gar nicht über Nacht. Schließlich war er kastriert, da konnten auch verfrühte hormonelle Schübe keine Rolle spielen!
    Der Schirm verhedderte sich in den tief hängenden Zweigen der Bäume und in ihr keimte der Verdacht, das geschmeidige rot-getigerte Raubtier könne unter einem der Büsche sitzen und sie womöglich belustigt bei ihrer erfolglosen Suche beobachten. Wie im Sommer, als er mit gemütlich untergeschlagenen Vorderfüßen interessiert zugesehen hatte, wie sie versuchte die kleine Maus zu fangen, die er in ihrem Wohnzimmer hatte laufen lassen. Schade, dass man nicht hören konnte, wenn Katzen lachen, denn er hatte sich bestimmt vor Lachen ausgeschüttet, als er sie bei ihren insuffizienten Versuchen beobachtete, diesen winzigen Nager einzufangen ohne ihn zu verletzen.
    »Onkel Tom! Vergiss nicht, ich bin es, die deine Dosen aufmacht! Nun komm schon! Ich muss mich doch noch fürs Kino umziehen!«, verlegte sie sich aufs Betteln und schüttelte erneut die Trockenfutterpackung.
    Mit der kleinen Taschenlampe, die sie mitgebracht hatte, leuchtete sie in alle Richtungen.
    Da – hatte sich dort nicht etwas bewegt? Vielleicht war Onkel Tom ja verletzt, dachte sie besorgt und schämte sich über den zuvor empfundenen Ärger.
    Füchse, Marderhunde – in dem Waldstück bei Madlow gab es eine ganze Menge wilder Tiere, und Kinder, die zu derben Späßen aufgelegt waren, wohnten schließlich nur zwei Häuser weiter.
    Sie wandte sich um und versuchte mit zusammengekniffenen Augen etwas zu erkennen, als sie sich plötzlich mit dem linken Fuß unter einem Hindernis verhakte. Mit einem kleinen Aufschrei stürzte sie zu Boden, Schirm und Taschenlampe taumelten neben ihr auf die Erde. Ein stechender Schmerz im Knöchel ließ sie zusammenfahren, als sie sich ungeschickt aufrappelte. Sie griff nach der Lampe und leuchtete den Boden ab, um zu klären, was sie zu Fall gebracht hatte. Doch im Lichtkegel der kleinen Lampe konnte sie zunächst nicht erkennen, was dort vor ihr lag. Langsam glitt der Lichtstrahl über die gesamte Erhebung.
    »Oh, Gott!«, ächzte sie dann und wandte sich schnell ab. »Um Himmels willen!«
    Sie torkelte zu einem Baum in der Nähe, lehnte sich keuchend an seinen Stamm und fand mit zitternden Fingern ihr Handy in der Hosentasche.
    »Du bist ein großes Mädchen, eine zupackende Frau, die auch die unglaublichsten Situationen souverän meistern kann. Hysterisch werden kannst du nachher immer noch«, sprach sie sich Mut zu, atmete tief durch und wählte die Nummer des Notrufs.
    Onkel Tom musste warten.

3
    Hauptkommissar Peter Nachtigall stand unter der Dusche. Kritisch inspizierte er seine Körpermitte, grunzte missbilligend. Zwischen Daumen und Zeigefinger zog er ein Fettröllchen zusammen und begutachtete es nachdenklich. Hatte er nicht gerade gelesen, dass man übergewichtig sei, wenn dieses Röllchen über zwei Zentimeter breit war? Der Hauptkommissar legte den Kopf schief und schätzte: Bei oberflächlicher Betrachtung konnten das gut so drei bis vier Zentimeter sein! Unsanft kniff er in seine muskulösen Oberschenkel und spannte den Bizeps an. Alles in allem gar nicht übel für einen Beamten im Polizeidienst, der keine vierzig mehr war. Er würde eben im Sommer wieder mit dem Rad zum Dienst fahren – da strampelte sich das ein oder andere Glas Wein sicher wieder ab.
    Und außerdem gab es da ja auch noch die Theorie, dass erst dann wirklich von Übergewicht die
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