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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Reginald Hill
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vereist, und jetzt verstand Pudovkin, warum Hadda sich so vorsichtig bewegt hatte.
    Er rutschte aus und schlug schmerzhaft mit dem rechten Knie auf.
    Er fluchte heftig auf Russisch. Für seine Freunde wäre das ein Signal gewesen, auf Abstand zu gehen. Für den Alltagsgebrauch hatte er eine ganze Palette von englischen Flüchen parat, aber wenn er richtig in Wut geriet, fiel er immer in seine Muttersprache zurück.
    Allmählich wünschte er sich, er hätte Hadda einfach beim Baden im Bach hinter seinem Haus erschossen. Und die Schwarze gleich mit. Und natürlich auch den Hund. Gar nicht so einfach, drei präzise Schüsse auf unterschiedliche Ziele abzugeben, aber wenn er geahnt hätte, wo er bei seiner Verfolgung Haddas landen würde, wäre er das Risiko vermutlich eingegangen.
    Andererseits wäre er auf dem Rückweg zum Auto wahrscheinlich Estovers Frau in die Arme gelaufen, und die hätte er dann auch noch erledigen müssen. Das hätte Nikitin gar nicht gefallen. Okay, möglicherweise hätte er die Notwendigkeit eingesehen, aber Groll hatte ein längeres Verfallsdatum als Dankbarkeit, und an irgendeinem dunklen Punkt in der Zukunft, wenn er all die vielen Dienste, die Pudovkin für ihn verrichtet hatte, aus seinem Gedächtnis verdrängt hatte, würde er sich noch immer daran erinnern, dass sein treuer Diener die Frau getötet hatte, die er liebte.
    Also schluckte er seine Wut hinunter. Er war, wo er war, und er hatte nicht die Absicht, wieder zu verschwinden, ohne das zu Ende zu bringen, was er sich vorgenommen hatte.
    Doch ihm wurde bang, als er vom Rand der Felsplatte hinunterstieg und sich über eine schmale Kante nach rechts bewegte. Er hatte gehofft, seine Beute jetzt schutzlos über sich an der Wand zu sehen. Stattdessen bekam er gerade noch mit, wie Hadda hinter einem Vorsprung verschwand, um den nächsten Teil des Aufstiegs anzugehen.
    Um an ihn ranzukommen, würde er ihm folgen müssen.
    Plötzlich schrumpfte die Kletterwand im Sportstudio, an der er problemlos wie eine Spinne hinaufhuschen konnte, in seiner Erinnerung zu einem sanft geneigten Hang mit großzügig verteilten Griffen und Tritten.
    Aber wenn so ein Scheißkrüppel da raufkonnte, dann konnte er das auch!
    Aber nicht, ohne sich vorher kurz auszuruhen und ein wenig zu stärken.
    Er ging in die Hocke und zog einen kleinen Plastikbeutel aus seiner Innentasche. Er nahm eine Prise weißes Pulver heraus, hielt sie sich unter das rechte Nasenloch und sog kräftig ein. Dann wiederholte er den Vorgang mit dem linken Nasenloch.
    Er wartete ein paar Minuten, bis er merkte, dass Kraft und Scharfsichtigkeit zurückkehrten.
    Schließlich war er bereit.
    Er atmete tief durch, sprach ein Stoßgebet an seinen Schutzheiligen (der nach so vielen Jahren der Missachtung wahrscheinlich verwundert die Stirn runzelte und fragte: Wer? ) und kletterte los.

6
    »Hallo Wolf«, sagte Imogen.
    Hadda blickte hoch und sah sie über ihm stehen. Sie war jetzt über vierzig, aber sie hatte noch immer den hellen strahlenden Teint und die jugendlich frische Schönheit eines Botticelli-Engels.
    Wenn sie gewollt hätte, hätte sie ihm ihren Stiefel ins Gesicht treten können, und er wäre hundertfünfzig Meter tief abgestürzt, den ein oder anderen Aufprall nicht mitgerechnet. Sie wäre all ihre Sorgen los. Er seine auch, und vielleicht wäre es nicht die schlechteste Art, abzutreten, wenn dieses ruhige schöne Gesicht das Letzte wäre, das er in diesem Leben sah.
    Sie streckte die Hand nach ihm aus, und einen Moment lang dachte er, seine Fantasievorstellung könnte wahr werden. Dann packte sie seine Hand und zog ihn zu sich hoch.
    Sie blieben Auge in Auge voreinander stehen.
    »Da wären wir also«, sagte sie.
    »Wieder«, sagte er.
    »Ja. Wieder. Aber diesmal hab ich kein Seil gebraucht.«
    »Ich glaub, du hast auch beim ersten Mal kein Seil gebraucht.«
    »Aber damals hast du dir meinetwegen Sorgen gemacht«, sagte sie. »Eigenartig, nicht? Wir haben so viele Klettertouren unternommen, aber hierher sind wir nie zurückgekommen.«
    »Weil es nichts gab, weswegen man hätte zurückkommen wollen. Ich meine, das erste Mal damals, das war durch nichts zu steigern. Für mich zumindest nicht.«
    »Ach, Wolf«, sagte sie. »Du hast eine schlechte Wahl getroffen.«
    »Nein«, sagte er. »Ich hab nie eine Wahl getroffen. Von Wahl konnte keine Rede sein. Du bist es, die eine schlechte Wahl getroffen hat.«
    Sie nickte ernst.
    »Du hast recht. Ich habe gewählt. Und es war eine
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