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Rache: Die Eingeschworenen 4

Rache: Die Eingeschworenen 4

Titel: Rache: Die Eingeschworenen 4
Autoren: Robert Low
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Stück ungebleichten Leinenstoff zu holen, das sie um einen Schild wickelte.
    Es gab auf der ganzen Welt nicht genug Dunkelheit, um den langsam grauenden Morgen aufzuhalten.
    Als die Dämmerung wie ein lauerndes Tier über den Verteidigungswall kroch, standen die Männer auf, müde und zitternd, die Bärte und Haare von Dreck verklebt, aber mit glänzenden Augen, weil sie heute vor ihren Göttern stehen würden– und sahen sprachlos zu, wie ich Schwarzauge ans Tor begleitete.
    Ich gab Finn meine Axt und ließ Schwarzauge in seiner Obhut, während ich mich zwischen den Trümmern hindurchschob, über die Leichen stieg und durch den blutigen Schlamm watete. Ich hielt den eingewickelten Schild hoch und hoffte, er sei weiß genug, um ihn als Zeichen der Waffenruhe erkennen zu können. Ich blieb nur kurz stehen, um Randr Sterki mit seinen rot geränderten Augen anzusehen. Sein Grinsen erinnerte an ein tollwütiges Tier.
    Ich bahnte mir einen Weg durch die Leichen und stolperte zu Czcibor, der auf seinem Pferd saß. Er sah erschöpft aus, und ich fragte mich, ob die roten Pocken in seinem Heer vielleicht schon ausgebrochen waren.
    » Beeil dich«, sagte er barsch und hochmütig, also beeilte ich mich.
    » Reicht sie dir als Gegengabe für unser Leben?«, fragte ich, und er sah über meine Schulter, hin zu der schmächtigen Gestalt unter dem zertrümmerten Tor, wobei er über die Leichen seiner eigenen Leute hinwegschauen musste und auch die Speere und Klingen sah, die den Wall immer noch verteidigten, wo auch das Gerüst mit den Wolfszähnen hinter dem Tor wartete.
    Als er mich wieder ansah, waren seine Augen hart und kalt, aber das störte mich nicht. Ich wusste, er würde zustimmen, denn er konnte nicht länger hierbleiben. Zu gern hätte er uns alle gepfählt, aber er hätte einen zu hohen Preis dafür bezahlen müssen, und er war ein zu guter Feldherr, um das Risiko einzugehen, sein Heer und seinen Ruf aufs Spiel zu setzen, nur um seinen Hass zu befriedigen.
    Was mich viel schmerzhafter traf, war sein verächtlicher Blick, mit dem er mir zeigte, was er darüber dachte, dass ich tatsächlich bereit war, dieses Mädchen zu opfern, nur um unsere Haut zu retten.
    Vielleicht blieb ihm das Wort im Hals stecken, vielleicht war er auch zu müde, um noch viel zu sagen– jedenfalls nickte er, und mehr wollte ich nicht.
    Ich ging zum Tor zurück und nahm Finn meine Axt ab. Schwarzauge, reglos wie eine Skulptur, hüllte sich in ihren schäbigen Umhang und schritt, so wie sie immer schritt–als hätte sie Gold zwischen den Beinen–, auf das polnische Lager zu. Sie drehte sich nicht mehr um.
    Ich kam zurück zu den Männern, die verstanden hatten, dass die Sache beendet war und sie heute nicht sterben würden. Und doch lag plötzlich diese neue Erkenntnis in der Luft, dass es den Polanen immer nur um das Mädchen gegangen war– aber als sie mein Gesicht sahen, wagte niemand, mir einen Vorwurf zu machen.
    Bis auf einen natürlich. Es gibt immer einen.
    » Du Mistkerl«, schrie Styrbjörn, der bei dem Gedanken, wie nahe er dem Pfahl gewesen war, noch immer zitterte. » Also ging es nur um das Mädchen! Die ganze Zeit. Wir mussten sterben, damit du bumsen konntest, während die…«
    Ich traf ihn mit dem Axtstiel, ein Schlag ins Gesicht, dass er zu Boden stürzte und Blut und Zähne spuckte. Uddolf drehte ihn um, damit er nicht erstickte.
    Ich fühlte mich eiskalt, und mir war übel. Dort brannte eine kleine Gestalt auf dem Scheiterhaufen, eine zweite stolperte über die Ebene, um bei den Feinden zu sterben, und beide hatten die Fäden meines Wyrd in ihren Händen gehalten. Jetzt, wo ich sie beide verloren hatte, hatte das Leben für mich keinen Sinn mehr. Fast wäre ich auf die Knie gesunken, um Odin zu bitten, endlich sein Opfer anzunehmen. Schräg hinter mir sah ich Randr Sterki stehen, der mich wortlos beobachtete, und ich hätte es begrüßt, wenn er getan hätte, was er immer hatte tun wollen.
    » Ein guter Treffer«, sagte Bjaelfi, nachdem er sich Styrbjörn kurz angesehen hatte. » Aber ich glaube, es wäre besser gewesen, du hättest die Klinge benutzt. Ein abgeschlagener Kopf kann sich nicht mehr verschwören, wie die Großmutter des roten Njal gesagt hätte.«
    Finn räusperte sich.
    » Hör jetzt auf mit der Großmutter vom roten Njal«, knurrte er so laut, dass jeder es hören konnte, » und sei froh, dass Orm den Stiel genommen hat und nicht das andere Ende. Er hat immer Leute am Leben gelassen, die man eigentlich
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