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'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)

'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)

Titel: 'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
Autoren: Michael Linnemann
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der Mitte aufwies. Sowohl an den Seiten als auch an der Oberkante des Holzrahmens ragten Scherben hervor.
    Rasch verschaffte Nora sich einen Überblick über die chaotische Situation. Zuerst linste sie zum Fernseher, der einer langen Couch gegenüber stand. Dann sah sie hinüber zu einer Kommode, die sich neben dem Fernsehsessel befand. Schließlich fixierte sie die mit Büchern überfüllte Schrankwand zu ihrer Linken. Entgegen ihrer Befürchtung war weit und breit kein Einbrecher zu sehen. Der Raum wirkte friedfertig und gewöhnlich.
    Bis auf das Mädchen.

2
    Noch während Nora sich in ihrem Wohnzimmer umblickte, wehte ein Windstoß durch das Loch in der Terrassentür herein und huschte über den Körper eines jugendlichen Mädchens hinweg, der reglos vor der zerbrochenen Scheibe auf dem Teppich lag. Da die Fremde sich auf dem Bauch befand, konnte Nora deren Gesicht nicht erkennen.
    Die Unbekannte konnte nicht älter als achtzehn und nicht größer als eins siebzig sein. Sie trug ein halterloses grünes Top, dazu einen cremefarbenen Minirock. Pechschwarze Haare fielen an ihrem Kopf herab. Die zerkratzten Hände und Füße waren mit einem Gemisch aus Blut und Erde beschmutzt. Zudem war eine weiße Bandage unzählige Male um ihre Stirn und ihren Hinterkopf gewickelt.
    In Windeseile griff Nora zum Telefon und alarmierte den Notarzt. Anschließend lief sie ins Badezimmer, um ihren Verbandkasten zu holen.
    Keine zwanzig Sekunden später hockte sie schon wieder vor dem fremden Mädchen, tastete nach dessen Puls, holte tief Luft und fragte: „Kannst du mich hören? Verstehst du mich?“
    Keine Reaktion. Kein Zucken. Nichts.
    Ohne kostbare Zeit zu verlieren, schnappte sich die Kommissarin eine Decke von der Couch, breitete sie der Länge nach neben dem Mädchen aus und drehte es anschließend herum, sodass es fortan in der stabilen Seitenlage auf der Decke lag.
    „Das gibt es doch nicht“, murmelte Nora entsetzt, als ihr die Einschnitte im Gesicht und auf dem Bauch der Fremden ins Auge fielen. Violett-rote Wundränder überzogen deren gesamten Körper. Zahlreiche Blutergüsse zierten sowohl die Ärmchen als auch die knochigen Beine. Mit dem Inhalt des Verbandkastens – dessen wurde Nora sich schnell bewusst – konnte sie dem Mädchen kaum Linderung verschaffen. Dennoch begann sie engagiert, zumindest die größten Wunden zu säubern.
    Im Verlauf dieser Behandlung entdeckte sie keinen ausgeprägten Muskel am Körper der Fremden. Die Jugendliche bestand ausschließlich aus Haut und Knochen. Sie war dermaßen abgemagert, dass sich unter ihrer Brust sogar die Rippen abzeichneten.
    Doch als Nora dann auf die Bandage sah, die mehrfach um die Stirn des Mädchens herumgewickelt war, wurde ihr bewusst, dass ihr der größte Schock erst noch bevorstand: Wie hypnotisiert blickte sie auf dickflüssiges Blut, das auf Höhe der Ohren durch den Stoff sickerte.
    Nur äußerst zögerlich beugte Nora sich vor. Es vergingen mehrere Augenblicke des Zweifels, ehe sie sich dazu entschloss, die Bandage zu lösen. Vorsichtig hob sie den Kopf des Mädchens an, um den Stoff leichter entfernen zu können. Dabei schnellte die Unbekannte jedoch so schreckhaft in die Höhe, dass die Ermittlerin postwendend zurückwich.
    Als das Mädchen dann auch noch seine blutigen Lider aufriss, stockte Nora der Atem.
    „Der Notarzt ist unterwegs. Halte durch!“, stieß sie hervor.
    Doch das Mädchen reagierte nicht auf sie. So schnell es hochgeschreckt war, so rasch sank es auch schon wieder auf den Boden zurück. Sein Hinterkopf schlug auf den Teppich, der Kehlkopf sprang explosionsartig auf und ab.
    Nora schluckte. Was soll ich nur tun? Wie kann ich dem Mädchen helfen?
    Sie sah ratlos in den Garten hinaus, der friedlich in der Morgensonne vor ihr lag und sich zehn Meter gen Süden erstreckte. Dort erblickte sie die großen Apfelbäume, die das Ende des Grundstücks von einem Acker begrenzten. In den Bäumen hörte sie einige Vögel zwitschern, doch auf diesen Gesang konnte sie sich unmöglich konzentrieren. Stattdessen sah sie hinüber zu den Rosen, die sich auf der linken Seite des Gartens befanden. Aber auch den Farbglanz der Natur nahm Nora kaum wahr. Ihre Pupillen flogen weiter über das Grundstück, wobei sie kurz auf die mittig gelegene Rasenfläche blickte, um anschließend die Büsche und Sträucher zu ihrer Rechten zu inspizieren. Diese boten ausreichenden Sichtschutz vor der angrenzenden Straßenkreuzung – der südlichsten Kreuzung
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