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Rabenvieh (German Edition)

Rabenvieh (German Edition)

Titel: Rabenvieh (German Edition)
Autoren: Marie Anhofer
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Keller zu entrümpeln und ihn für mich umzugestalten. Er verkleidete die Decke mit Styroporplatten, verlegte auf dem Boden selbstklebende Filzfliesen und montierte ein kleines Fenster, das zwar nett anzusehen war, aber den Witterungsverhältnissen nicht standhielt. Die anfängliche Freude über mein eigenes Zimmer währte nicht lange. Ein Zimmer, das im Winter aufgrund fehlender Heizung bitterkalt war und im Sommer bei starkem Regen zu überschwemmen drohte. Der Raum, in dem ich von nun an untergebracht war, war etwa acht Quadratmeter groß, mehr als ein Klappbett mit einem kleinen Nachttischkästchen, einem zweitürigen Schrank sowie einem winzig kleinen Schreibtisch hatte nicht Platz. Der Keller war vom Wohnbereich durch eine Metallschiebetür getrennt und beim Öffnen dieser Tür kam einem sofort ein modriger Geruch entgegen. Dass der Keller kein Geschenk im Sinne der christlichen Nächstenliebe war, sondern der Ausgrenzung und Bestrafung diente, bekam ich sehr bald zu spüren. Ehe mein Leben richtig begann, war es ab dem Zeitpunkt der Ausquartierung in den Keller wieder vorbei. Mein Inneres erlosch wie eine Kerze im Wind.
    Nach Schlägen wurde ich in den Keller gesperrt und die Schiebetür von außen mit einem Metallhaken gesichert. Ein Entkommen war somit unmöglich. Wenn ich auf die Toilette musste, hatte ich Pech. Anfangs klopfte ich noch an die Tür, rief und bettelte, dass sie mich bitte für den Gang zur Toilette nach oben lassen sollten – vergebens. Um mir nicht in die Hose machen zu müssen, musste ich mir also etwas anderes einfallen lassen. Links von meinem Zimmer befand sich der Gemüsekeller. In diesem lagerten in der Regel Äpfel, aus dem Garten geerntetes Gemüse sowie Getränke. Der Boden dieses Kellers war nicht wie alle anderen aus Beton, sondern aus Erde. War ich im Keller eingesperrt und musste dringend auf die Toilette, schlich ich mich von nun an in den Gemüsekeller, um dort auf einem kleinen Fleckchen Erde, zwischen dem Gemüse mein kleines Geschäft zu verrichten. Da es natürlich immer wieder übel roch, machten sich meine Pflegeeltern permanent auf die Suche, da sie annahmen, dass ein verdorbenes, verfaultes Gemüse diesen Gestank verursachen würde. Dahinter kamen sie zum Glück nie. In meinen Gedanken konnte ich mir auch ausmalen, was mit mir geschähen wäre, wären sie mir auf die Schliche gekommen, oder noch schlimmer, wenn sie mich einmal dabei erwischt hätten. Hatte ich Durst, war das ebenfalls mein Problem. Mit einem Schraubenzieher in der Hand schlich ich mich anfangs noch in den Waschraum. Ich hatte die Hoffnung, dass ich es eines Abends doch noch schaffen könnte, den Zuleitungsschlauch der Waschmaschine vom Wasseranschluss zu trennen, um dort an Wasser zu kommen. Ich kniete auf dem Betonsockel neben der Waschmaschine, hantierte mit dem Schraubenzieher herum und versuchte mit aller Kraft diese eine Schraube aufzubekommen, doch der Schraubenzieher drehte sich in meinen kindlichen Händen einfach nur durch. Viel zu fest war sie angezogen - ich hatte keine Chance. Der Traum, am Waschmaschinenanschluss künftig meinen Durst stillen zu können, zerplatzte demnach wie eine Seifenblase.
    Eines Abends, als mir die Zunge vor lauter Durst wieder einmal am Gaumen kleben blieb, hatte ich die Idee, in den Gemüsekeller zu gehen und mir aus der Mineralwasserkiste eine Flasche zu holen. Als ich jedoch vor dieser Kiste stand, entschloss ich spontan, aus jeder Flasche nur einen Schluck zu entnehmen, da ich dachte, dass dies nicht auffallen würde. Dass aber durch mein Öffnen der Flaschen die darin enthaltene Kohlensäure langsam entweichen könnte und meine Pflegeeltern es außerdem noch bemerken würden, dass die Flaschen beim Öffnen nicht mehr zischen würden, soweit dachte ich nicht.
    Im Mülleimer der Schule sah ich ein paar Tage später eine kleine, leere Plastikflasche. Ich entnahm sie, befüllte sie auf dem Toilettenwaschbecken mit Wasser und verstaute sie in meiner Schultasche. Zu Hause schmuggelte ich sie in den Keller und verstaute sie hinter dem Schrank. Morgens schlich ich mich mit der leeren Plastikflasche aus dem Haus und nach der Schule mit der vollen wieder ins Haus. Ich musste auf der Hut sein, denn ich wusste, dass meine Pflegemutter mir diese Flasche sofort abnahm und dass sie mich künftig noch mehr im Visier haben würde.
    Strafen durch Essensentzug waren genauso an der Tagesordnung wie Schläge. Abends knurrte mir der Magen so stark, dass ich kaum einschlafen
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