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Rabenvieh (German Edition)

Rabenvieh (German Edition)

Titel: Rabenvieh (German Edition)
Autoren: Marie Anhofer
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war dann der Fall, wenn sich bereits zu viele Blutspritzer auf der Buchseite befanden und ich so gut wie nichts mehr darauf lesen konnte. Nach den Leseübungen wurde ich mit meinem Schulbuch ins Badezimmer geschickt, um das Blut von den Seiten auszuwaschen. Das Blut ließ sich jedoch mit Wasser allein nicht entfernen und deshalb war ich gezwungen, Seife zu verwenden, was zur Folge hatte, dass sich die Printfarbe auswusch und auf den Seiten nichts mehr zu lesen war. In der Schule bekam ich deshalb Schwierigkeiten und jedes Mal ein fettes Minus verpasst, da meine Klassenlehrerin annahm, ich würde dies aus Jux und Tollerei machen. Bei einem der Elternsprechtage, an denen ich immer mit meiner Pflegemutter hin musste, sprach meine Klassenlehrerin meine Pflegemutter auf die ausgewaschenen Seiten an. Daraufhin sah mich meine Pflegemutter an und sagte mit freundlichem aber bestimmtem Ton: »Siehst du, wir haben dir schon unzählige Male gesagt, dass deine Schulbücher während des Essens nicht auf dem Tisch zu liegen haben.« In Gegenwart Fremder spielte meine Pflegemutter die Rolle der Liebevollen und Fürsorglichen und so kam wohl niemand auf den Gedanken, dass sie in Wirklichkeit ein Monster war.

    Friederike war frühreif, sie trieb sich schon früh mit Jungs herum, heiratete mit achtzehn und brachte bald darauf ihr erstes Kind zur Welt. Andreas, Friederikes Mann arbeitete hart am Eigenheim für seine Familie und war zudem ein fürsorglicher Familienvater. Ich mochte Andreas’ ruhige Art und ich freute mich immer, wenn ich ihn zu Gesicht bekam. In seiner Gegenwart fühlte ich mich wohl, und auch wenn wir nicht viel miteinander sprachen, schienen all meine Probleme für diesen Augenblick vergessen zu sein. Friederike und Andreas bekamen bald weiteren Nachwuchs. Mit dem zweiten Kind ließen Friederikes Mutterpflichten sehr zu wünschen übrig. Sie übergab die beiden Kinder immer öfter meinen Pflegeeltern zur Aufsicht. Während Andreas nach wie vor beinahe rund um die Uhr am Eigenheim schuftete, trieb sich Friederike zunehmend in Nachtlokalen herum. Andreas tat mir leid, denn er hatte es meiner Ansicht nach nicht verdient, Tag und Nacht zu schuften, während sich seine Frau anderwärtig vergnügte. Ich war in der neunten Schulstufe, als mich Andreas eines späten Nachmittags von der Schule abholte. Ich war erstaunt, denn das war nie zuvor der Fall gewesen. Jedenfalls freute ich mich riesig darüber und stieg zu ihm ins Auto. Während der Fahrt sprachen wir ausschließlich über Schulisches und mir fiel an seinem Verhalten zunächst nichts Außergewöhnliches auf. Wir näherten uns meinem zu Hause, als Andreas mich fragte, ob ich Lust hätte, mit ihm auf einen Drink zu gehen. Ich sah zu ihm rüber, und ehe ich eine Antwort geben konnte, meinte er, dass ich keine Angst haben müsste, denn er würde es meinen Pflegeeltern erklären, dass er schuld an meinem Verspäten hätte. Ich war etwas durcheinander und zunächst auch sprachlos. Was sagte er da? Ich müsste keine Angst haben? Das, was er da sagte, musste wohl darauf hindeuten, dass er von meinen Problemen zu Hause wusste. Aber woher? Von Friederike sicher nicht und Andreas war nicht oft bei uns zu Hause, dass er irgendetwas mitbekommen haben könnte. Ohne auf eine Antwort von mir zu warten, hielt er wie selbstverständlich einige Kilometer von zu Hause entfernt vor einem Lokal. Während ich noch immer im Wageninneren saß und mir Gedanken darüber machte, weshalb Andreas so darauf aus war, mit mir auf einen Drink zu gehen, näherte er sich bereits dem Eingang des Lokals. Mit einer Handbewegung deutete er mir an, ihm zu folgen. Ich ging ihm schließlich hinterher. Wir betraten das Lokal, setzten uns an die Bar und zu meiner nächsten Verwunderung bestellte sich Andreas ein großes Glas Bier, obwohl er meines Wissens so gut wie nie Alkohol trank. Nach dem ersten kräftigen Schluck stellte er sein Glas wieder auf die Theke, wischte mit seinen Händen über die Außenseite des Glases und wandte danach den Blick in meine Richtung.
    »Ich weiß, dass du zu Hause geschlagen wirst!«
    Am liebsten wäre ich vor Scham im Erdboden versunken.
    »Weißt du, woher ich das weiß?«
    Auf seine Frage antwortete ich lediglich mit einem kleinlauten »Nein«, woraufhin folgte: »Ich sollte eines Tages die Kinder bei euch zu Hause vorbeibringen, da Friederike wieder einmal nicht zu Hause war und ich in die Arbeit musste. Als ich bei euch am Einfahrtstor die Kinder aus dem Auto holte,
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