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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)
Autoren: Markus Kammer
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gerne wissen. Immerhin klang es so, als ob man sie am Leben ließ, bis die Wahrheit gefunden wäre. Bis dahin sollte sie still sein, das geboten ihr jetzt Anbars nicht sehr freundlich dreinblickende Augen und sie fügte sich für den Moment. Es war tröstlich, dass diese Wächter etwas Ehrenhaftes an sich hatten. Sie mussten um Gerechtigkeit bemüht sein. Oder war das nur die Vorstellung, die Elsa von Kriegshelden aus alten Sagen hatte? Dass sie gut und nicht böse waren? Sie pustete müde in ihre Suppe und wusste nicht, worauf sie sich freuen sollte.
    Kaum hatten die Helden ihre Suppe ausgelöffelt, musste sie wieder los. Ihre Füße und Beine taten noch weh, doch sie sollte gehen. Schnell gehen. Über Straßen, bucklige Pfade oder durch wegloses Gebüsch, bergauf, bergab, bis es ihr egal war, was aus ihr werden würde. Wenn sie nur endlich etwas Ordentliches zu essen bekäme und ein Bett zum Schlafen. Nach Einbruch der Dunkelheit war es endlich soweit: Sie betraten eine laute Schenke, in der dreizehnjährige Mädchen auffielen. Deswegen musste sie mit Romer auf dem Zimmer essen. Nach dem Essen legte sie sich ins Bett. Sie nahm noch wahr, wie Romer seine Decke auf dem Boden ausrollte. Dann schlief sie ein und träumte, dass ihre Wächter aus dem Land stammten, in dem man kundrisch sprach (diese Sprache, die so aussah: “““““““““). Sie beschützten Elsa gegen ein ganzes Heer von bösen Rabenmenschen. Doch das Heer bestand plötzlich nur noch aus Gänsen, die wild umherschnatterten und sich gegenseitig in die Schwanzfedern pickten, sodass die Luft vor weißen Federn stob. Puja, Elsas Mutter, rief irgendwann: ‚Elsa, jetzt lass das doch! Steh auf und geh zur Schule!’ Gut, dachte Elsa und wachte auf. Doch was sie sah, war nicht ihr Zimmer in Istland. Es war ein fremdes Zimmer, in dem ein Mann schlief und ein anderer Wache hielt.
     
    „ Könnt ihr kundrisch?“, fragte sie an diesem neuen Tag des mühsamen Wanderns, als sie versuchte, mit den Männern Schritt zu halten.
    „ Kundrisch?“
    Sie waren überrascht. Endlich mal.
    „ Was weißt du von Kundrien?“, wollte Anbar wissen, der heute hinter ihr ging.
    „ Im Nachtschrank in meinem Gefängnis lag ein kundrisches Wörterbuch.“
    „ Seltsam“, sagte Romer. „Der König sollte wissen, was er für Bücher besitzt. Er sollte sie nicht in Nachtschränken herumliegen lassen.“
    „ Was ist an dem Buch so seltsam?“, fragte sie.
    „ Wir gehen zu langsam“, sagte Anbar. „Sie hat immer noch Luft für Fragen.“
    „ Komm weiter, Elsa!“ Romer nahm ihre Hand und zog sie mit sich. „Ich erkläre es dir.“
    Kundrien war weit weg, erfuhr Elsa von Romer. So weit weg, dass es vielleicht gar nicht in dieser Welt war. Der einzige Anhaltspunkt, dass es diesen Ort gab oder einmal gegeben hatte, war die kundrische Sprache. Abschriften von Wörterbüchern waren selten. Romer hätte nie gedacht, dass der König so etwas besaß.
    Bald hatte Elsa tatsächlich keine Luft mehr für Fragen. Sie hörte auf zu denken, bis sie am späten Nachmittag einen breiten Fluss erreichten. Das Licht der untergehenden Sonne brannte im langsam, doch mächtig dahinfließenden Wasser.
    „ Wo übernachten wir?“, fragte Elsa. „Oder kommt das Schiff heute noch?“
    „ Wir können ja winken, wenn eins vorbeifährt“, sagte Romer.
    „ Wir werden im nächsten Ort übernachten“, erklärte Anbar. „Morgen gehen wir nach Fährwest. Von dort fahren Schiffe nach Brisa. Brisa ist die nördlichste Stadt Sommerhalts. Nur ein paar Hügel trennen sie vom Meer.“
    Er beobachtete Elsa genau, als wollte er herausfinden, ob sie das alles wirklich nicht wusste.
    „ Schön“, sagte sie, weil er nicht aufhörte, sie zu mustern.
    „ Was weißt du über Brisa?“, fragte er.
    „ Ich weiß nur, dass die klügste Frau des Landes von dort kommt.“
    „ Wen meinst du?“
    „ Den Namen habe ich vergessen. Die Frau, die angeblich verschwunden ist, als ...“
    Elsa verstummte. Sie wollte lieber nicht vom bösen Rabenmann sprechen, sonst hieß es wieder, sie würde ihn kennen.
    „ Wann kommt der nächste Ort?“, fragte sie. „Ich bin müde.“
    „ Es ist nicht mehr weit“, sagte Romer.
    Sie verließen den Fluss und wanderten weiter nach Nordosten. Es wurde schnell dunkel.
    „ Was weißt du von der Frau?“, fragte Anbar neben ihr, als schon tiefe Nacht war. Elsa schlief fast im Laufen ein.
    „ Nur das, was mir die Dienerin erzählt hat.“
    „ Und das wäre?“
    Elsa war zu müde,
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