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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition)
Autoren: Nikola Hotel
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nachzulegen. Dass ich Sie als Mensch erwische, war so nicht geplant, aber -«, er breitete seine Hände aus, »- was soll man machen?« Er lächelte entschuldigend. »Und Ihr russischer Freund war wirklich eine großartige Hilfe. Mit dieser riesigen Tätowierung auf dem Rücken würde Sie jeder auf tausend Meter Entfernung identifizieren können.«
    »Was sagt er?«, flüsterte Isabeau.
    »Ach, ich vergaß, Sie verstehen ja kein Wort Tschechisch! Dann lassen Sie mich Ihnen in Ihrer Sprache die Antwort auf Ihre Fragen geben.« Er kam beim Sprechen langsam näher. Sein Körper bewegte sich geschmeidig wie ein Luchs.
    »Ihr kleiner, tierischer Freund hat es gleich hinter sich.« Die Kälte in seiner Stimme ließ sie  zusammenzucken.
    »Was war in der Kanüle?«
    »Tststs! Sie glauben doch wohl nicht, dass ich das Geheimnis um meine Waffen lüfte? Und Ihnen womöglich noch die Gelegenheit einräume, seinen längst überfälligen Tod zu verhindern?« Er knurrte plötzlich. »Das kannst du vergessen!«
    Wie gerne hätte ich mich auf ihn gestürzt und diesen hämischen Ausdruck aus seinem Gesicht gewischt, aber es kostete mich schon genug Kraft, überhaupt auf meinen Beinen zu stehen.
    »Was haben Sie ihm gegeben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Keine Chance!« Dann wandte er sich an mich. »Doch bevor der Fürst in Panik um sein Liebchen ausbricht: Sie ist mir völlig egal, solange sie nicht auf die Idee kommt ein paar Raben auszubrüten. Aber wenn du tot bist, ist die Chance wohl ziemlich gering. Oder wird sie sich dann einen anderen aus dem Schwarm auszusuchen, was meinst du?« Er spuckte auf den Erde.
    Heiß zog die Wut durch meine Eingeweide. Ich stieß Isabeau beiseite und wollte mich auf dieses Schwein stürzen, aber ich kam nur zwei Schritte weit, bevor meine Beine wegsackten und ich vor ihm auf den Boden stürzte.
    »Erbärmlich so ein Todeskampf, erst recht für einen Fürsten!«, sagte der Mann.
    »Was passiert mit ihm?«
    »Er wird elendig verrecken, wie er es verdient! Und du kannst nichts dagegen tun. Aber keine Angst, es dauert nicht lange. Wenn seine Atemmuskulatur gleich gelähmt ist, wird er in wenigen Minuten ersticken. Fast zu schnell, wenn du mich fragst!« Und mit diesen Worten drehte er sich weg und lief in den Wald.
    Ich konnte nicht einmal mehr einen Finger krümmen. Kein Muskel meines Körpers schien mehr auf die Befehle meines Gehirns zu reagieren.
    Es tat so weh, Isabeaus verzweifeltes Gesicht zu sehen. Speichel sammelte sich in meinem Mund, aber ich konnte ihn nicht hinunterschlucken, und so lief er mir aus dem Mundwinkel heraus. Ich versuchte die Lippen zu bewegen, um zu sprechen.
    Ich wollte sie nicht verlassen. Gerade jetzt, wo ich das erste Mal in meinem Leben diese Hoffnung spürte. Eine Hoffnung so klar wie ein Kristall. Eine Hoffnung darauf, glücklich zu sein, lieben zu dürfen und wiedergeliebt zu werden. Tränen liefen mir aus den Augenwinkeln. Ich liebe dich , dachte ich.  
    Warum nur, habe ich es dir nicht früher gesagt?
    Meine Lider senkten sich. Ich hatte keine Macht mehr darüber, nicht einmal mehr über diesen kleinen Muskel.
    Mein Brustkorb hob sich nicht mehr an. Ich atmete nicht, aber ich hörte jedes Geräusch um mich herum. Die Schritte, die in unsere Richtung liefen.
    »Ich liebe dich!«, sagte Isabeau. Und in diesem Augenblick wurde mir klar, dass alles gut war.
    Ich sterbe.
    Dieser Gedanke quälte mich nicht, weil sich eine Gewissheit in mir ausbreitete, die alles andere verdrängte, mich auf wispernden Winden bettete, zart, liebkosend.
    Ich wusste: Ich sterbe als glücklicher Mann.  

Liebesatem
     
     
     
    D u musst ihn beatmen!«, rief Timo.
    Alexej lag flach auf dem Rücken und ich packte mit beiden Händen seinen Kopf.
    Und wenn ich etwas falsch machen würde?
    Mein Herz raste. Ich legte meine Lippen auf seine und blies meinen Atem zögerlich hinein. Mein Unterarm ruhte auf seinem Brustkorb und erleichtert stellte ich fest, dass er sich anhob. Erneut blies ich Luft in seine Lungen und sein Brustkorb hob und senkte sich wieder.
    Jetzt bloß nicht langsamer werden, versuch deinen Rhythmus zu finden! Ich fluchte innerlich, weil mir nicht mehr einfallen wollte, in welchem Zeitabstand man beatmen musste. Ich warf meinem Bruder einen eindringlichen Blick zu, bevor ich mich wieder runterbeugte. Er griff nach Alexejs Handgelenk.  
    »Nichts«, sagte er und tastete sich höher, bis zu seinem Hals. »Doch, sein Herz schlägt noch.«
    Noch. Dieses Wort war so grausam.
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