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Quellen innerer Kraft

Quellen innerer Kraft

Titel: Quellen innerer Kraft
Autoren: Anselm Gruen
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inspirierendes Vorbild bis heute. Sie hat sich den Dingen gestellt und sie – so gut es geht – organisiert und bewältigt. Und sie hat ihr Leben lang eine optimistische Einstellung bewahrt. Auch als sie im Alter kaum mehr sehen konnte, hat sie nicht gejammert, sondern immer das Positive gesehen und die Schwächen mit Humor angenommen. Und sie hat sich geistig fit gehalten. Und sie hatte eine angeborene Weise, andern zuzuhören. Wenn sie bei der Caritassammlung zu den Leuten im Ort ging, nahm sie sich viel Zeit, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Sie hatte keine Angst, in ein Haus zu gehen, in der noch die Trauer über einen verstorbenen Menschen die Stimmung prägte. Sie hat einfach zugehört und in einfachen Worten geantwortet, nie belehrend, sondern verstehend und mitfühlend. Sie hatte ein eigenes Gespür, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und aus ihnen herauszulocken, wie es ihnen wirklich ging. Das war nicht Neugier, sondern Interesse am Menschen. Und immer wollte sie den Menschen vermitteln,dass sie sie versteht, für sie betet und dass es einen Weg gibt, mit dem Leid umzugehen.

    Heute schöpfe ich vor allem aus der Quelle meines Lebens als Mönch. Die ersten drei Stunden des Tages sind Stunden der Stille, des Gebetes und der Meditation. Da habe ich das Gefühl, dass diese drei Stunden, die Gott gehören, zugleich auch mir gehören. Es sind Stunden, in denen ich bei mir bin, und in denen ich mich für Gott öffne, die eigentliche Quelle meines Lebens. Auch wenn ich viel zu tun habe, sind diese drei Stunden für mich eine geheiligte Zeit, die ich durch nichts stören lasse. Der Rhythmus des Tages mit seinen Gebetszeiten ist für mich ein wichtiges Gerüst, um nicht aus meiner Mitte und aus der Verbindung mit der inneren Quelle zu fallen. Gerade das Singen der Psalmen ist für mich dabei wichtig. Natürlich ist das Singen manchmal auch mühsam, vor allem wenn der Chor den Ton nicht zu halten vermag. Aber normalerweise freue ich mich auf die Vesper, in der wir eine halbe Stunde lang Psalmen singen. Oft erlebe ich das als Luxus, den ich mir gönne, auch wenn es viel zu arbeiten gibt. Aber das Festhalten an den Gebetszeiten relativiert meine Arbeit und zeigt mir auf, worum es eigentlich geht: „damit in allem Gott verherrlicht werde“.

    Dass der spirituelle Weg des Mönchtums für mich eine wichtige Quelle für mein Leben geworden ist, verdanke ich vielen Mitbrüdern, vor allem meinem Novizenmeister P. Augustin Hahner. Er war ein begnadeter Orgelspieler und Lehrer. Er war nicht der typische Novizenmeister. Er musste sich erst selbst in die monastische Spiritualität hinein lesen. Aber er hat auf eine mich sehr überzeugende Weise sein Mönchtum gelebt. Und er hat in mir die Liebe zur Liturgie, die ich schonals Kind hatte, verstärkt. Wenn er seine Einführungen zu den verschiedenen Festen des Kirchenjahres gab, dann referierte er nicht über die Theologie des Festes, sondern erzählte von eigenen Erfahrungen. Mich hat sehr berührt, als er uns in das Allerheiligenfest einführte. Er erzählte, wie er als Soldat im Feld daran dachte, dass jetzt seine Mitbrüder die erste Vesper zu diesem Fest sangen mit der Antiphon: „Vidi turbam magnam = Ich sah eine große Schar, die niemand zählen konnte.“ Diese persönliche Hinführung fällt mir jedes Mal wieder ein, wenn ich selbst diese Antiphon singe. In einer solchen Sicht öffnet sich der Himmel über den Schlachtfeldern dieser Welt und über meinen persönlichen Kämpfen. Die Sorgen und Probleme, die mich umtreiben, relativieren sich.

    Auch die tägliche Eucharistiefeier ist eine wichtige Quelle für mich. Natürlich bin ich manchmal auch zerstreut oder mit meinen eigenen Gedanken und Problemen beschäftigt. Aber wenn ich mich einlasse auf die Eucharistie, dann erfahre ich sie als den Ort, an dem alles in mir verwandelt und umgedeutet wird. Der Tod, das Starre, das Dunkle wird zum Ort der Auferstehung, des Lichtes und der Hoffnung. In der Epiklese halte ich meine Hände über die Gaben von Brot und Wein, über meinen Alltag, und erflehe den Heiligen Geist, dass er ihn verwandle, dass dort, wo ich mich täglich abmühe, die Quelle des Heiligen Geistes strömen möge. Die Kommunion ist für mich die intensivste Begegnung mit Jesus Christus. Ich stelle mir vor, wie Christus – und mit ihm sein Geist – in mich eindringt. Und dieser Geist Jesu ist die Quelle, aus der ich dann tagsüber schöpfe. In der Kommunion wird mir bewusst, worauf es in
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