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Quellen innerer Kraft

Quellen innerer Kraft

Titel: Quellen innerer Kraft
Autoren: Anselm Gruen
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junger Mann einfach vom Ruhrgebiet nach Bayern zu ziehen, nur weil es ihn geärgert hat, dass er am katholischen Feiertag „Dreikönig“ arbeiten musste. Unter großen Schwierigkeiten baute er in der neuen Umgebung ein eigenes Geschäft auf, ohne darin aufzugehen. All die Jahre hat er sich immer auch viel Zeit für uns Kinder genommen. Erhat uns auf seine Art und Weise eingeführt in das Geheimnis des Lebens.
    Meine Mutter war eher praktisch veranlagt. Sie hat den Haushalt organisiert und das konkrete Leben mit uns Kindern geregelt. Auch sie stand fest im Glauben, war aber nie dogmatisch oder eng. Als mein Vater 1971 – kurz vor meiner Priesterweihe – starb, hat meine Mutter nochmals einen großen inneren Reifungsschritt getan. Im Alter war sie trotz ihrer Sehbehinderung immer lebensfroh. Sie traute ihrem Gespür und ihrem weiten Herzen. Und obwohl sie fest in der Kirche stand, sagte sie auch, was für sie an römischen Erlassen nicht stimmte. Unsere Eltern haben uns also ein festes Fundament gegeben. Natürlich waren auch sie nicht fehlerlos. Aber auch wenn wir als Kinder ihre Grenzen erfahren haben – es waren keine bedrohlichen Grenzen, die uns Angst machten. Sie haben uns viel gegeben, aber sicher nicht alles, was wir gebraucht hätten. Und so blieben durchaus Defizite, die mir bei meiner ersten Beschäftigung mit der Psychologie schmerzlich ins Bewusstsein kamen. Da spürte ich, dass ich nicht die Zärtlichkeit erfahren habe, die ich mir erwünscht hätte. Dass jeder von uns von den Eltern angenommen und geliebt wurde, war klar, auch wenn es körperlich kaum ausgedrückt wurde. Insgesamt habe ich jedoch das Gefühl, dass die Kindheit eine wichtige Quelle ist, aus der ich schöpfen kann.

    Als Kind hatte ich immer verrückte Ideen. Eines Tages wollte ich einen Fischteich bauen. Von einem Baumeister erbettelte ich einen Zementsack. Dann grub ich recht phantasievoll einen Graben um eine Insel aus. Aus Zement und Sand machte ich einen Mörtel und bestrich damit die Wände. Die Fische und Pflanzen holte ich aus einem nahe gelegenen Baggersee. Neben dem Fischteich stellte ich eine Tafel auf:„Betreten der Insel: 10 Pfennige.“ Offensichtlich steckte schon damals eine kreative Art in mir, zu Geld zu kommen. Im Kloster wollte ich diese Neigung eigentlich begraben. Sie passte nicht zu meinem Idealbild des Mönches. Doch der Abt drängte mich dazu, sie in den Dienst des Klosters zu stellen. So bin ich immer kreativ mit Geld umgegangen und habe Quellen entdeckt, wie man – ohne Menschen auszupressen – Geld verdienen kann.

    Es geht natürlich nicht darum, als Erwachsener die Spiele der Kindheit fortzusetzen. Aber ich kann darin ein Bild sehen für meine innere Quelle. Als Kind wollte ich immer Maurer werden. Wenn ich Maurer geworden wäre, hätte ich sicher viele Fähigkeiten nicht entfalten können. Doch noch heute ist dieses Handwerk für mich ein wichtiges Bild für die Bücher, die ich schreibe. Mit meinem Schreiben möchte ich ein Haus bauen. Wenn die Menschen ein Buch lesen, sollten sie sich verstanden und angenommen fühlen. Wer sich verstanden weiß, kann sich ausruhen, aufatmen. Er wird gestärkt und fühlt sich daheim. Und so kann er nach einer Zeit des Verweilens und des inneren Gesprächs mit den angebotenen Gedanken und Erfahrungen mit neuer Kraft nach draußen gehen, um selber zu gestalten und an einer menschlicheren Welt mitzubauen. Beim Schreiben spüre ich, wie dieses Bild und die damit ausgedrückte Intention für mich zu einer Quelle wird, aus der die Worte dann einfach fließen. Wenn ich ein anderes Motiv hätte, d. h. wenn ich schreiben würde, um die Erwartungen des Lektors zu erfüllen, um Verkaufserfolg zu haben oder etwas Perfektes zu Papier zu bringen, dann wäre das eine trübe Quelle, die mich bald erschöpfen würde. Das mit dem Bild des Maurers und des Bauens Gemeinte hilft mir, im Schreiben immer wieder etwas zurealisieren, was ich für sinnvoll halte. Es macht mir dann Freude und spendet mir selber Kraft, anstatt Energie zu kosten.

    Wir hatten in unserer Kindheit viel Freiraum, in dem wir unsere Phantasie entfalten konnten. Wir erfanden ständig neue Spiele und Streiche und bastelten gerne. Obwohl der äußere Rahmen bescheiden war – es gab einfach eine Sicherheit, auf die wir uns verlassen konnten. Von meinen Eltern habe ich eine Haltung des Vertrauens mitbekommen, dass die Probleme, die mich herausfordern, lösbar sind und dass ich die Zukunft selber mitgestalten kann.
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