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Quellen innerer Kraft

Quellen innerer Kraft

Titel: Quellen innerer Kraft
Autoren: Anselm Gruen
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will Jesus, dass wir nicht narzisstisch nur um uns selbst kreisen, sondern dass wir uns auf andere einlassen und ihnen helfen. Aber Jesus will sicher nicht, dass wir selbst dabei zugrunde gehen. Er hat seine Jünger auch eingeladen, mit ihm in die Einsamkeit zu gehen, um Ruhe zu finden. Wenn wir seinen Willen erfüllen, dann tut es auch uns gut und dann macht uns unser Einsatz für andere selber lebendig. Wir kommen dann zwar durchaus auch anunsere Grenzen und erfahren Müdigkeit. Doch ständige Erschöpfung weist darauf hin, dass unter der frommen Begründung ein anderes Lebensmuster steckt. Die Frau konnte erst nach einigen Gesprächen zugeben, dass sie als Kind immer das Gefühl hatte, es gäbe für sie keinen Platz auf dieser Welt. Sie hat keinen Platz in der Familie für sich gefunden. So wollte sie sich ihren Platz erkaufen, indem sie sich für andere verausgabte. Kein Wunder, dass das nicht „funktionieren“ konnte.

    Immer wenn wir erschöpft sind, sollten wir daher fragen, ob ein krankes Lebensmuster hinter unserem Tun steckt. Es kann sehr wehtun, wenn ich entdecken muss, dass es nicht meine hohen Ideale sind, die mich erschöpfen, sondern die Idealisierung meiner kranken Lebensmuster, die mir die innere Quelle verstellen. Es ist natürlich leichter, meine Erschöpfung religiös oder ideologisch zu überhöhen und sie damit vor mir und anderen aufzuwerten, als sich den wahren Motiven und Bedürfnissen zu stellen, die dahinter stehen. Selbsterkenntnis ist immer schmerzlich, aber sie befreit auch. Und sie lädt mich dazu ein, hinter allen Idealisierungen meine wahren Bedürfnisse zu entdecken und durch sie hindurch zur Quelle vorzustoßen, die unerschöpflich ist.

    Ein anderer Grund für die Erschöpfung kann auch sein, dass wir zuviel Energie brauchen, um unliebsame Seiten in uns zu verdrängen. C. G. Jung spricht von Schattenseiten. Wer viele Aspekte seines Menschseins in den Schatten verbannt, dem fehlen sie bei seiner Lebensbewältigung. Er kann seinen Lebensmotor nur zum Teil benutzen. Ein großer Teil ist durch die Verdrängung blockiert. In Gesprächen begegne ich vielen Menschen, die erschöpft sind, weil sie Angst haben, dieeigene Wirklichkeit anzuschauen. Die Schattenseiten in uns sind wichtige Energieträger. Und sie sind ein fruchtbares Erdreich, auf dem die Pflanze unseres Lebens gedeihen kann. Wer die Schattenseiten abschneidet, trennt sich von einer wichtigen Kraftquelle.

    In einem Gespräch über das Thema „Erschöpftsein und Überforderung der Priester“ meinte einer der für die Seelsorger einer Diözese verantwortlichen Personalreferenten einmal, sein Bischof habe bei seiner Priesterweihe gesagt: „Der Priester soll sich für die Menschen einstampfen lassen wie Sauerkraut.“ Diese „Sauerkraut-Theologie“ steckt in manchen Priesterköpfen drin und prägt ihr Verhalten – bis zur Erschöpfung. Wer meint, er dürfe nur für andere da sein und müsse die eigenen Bedürfnisse völlig ignorieren, ja sogar einstampfen, der schöpft aus einer trüben Quelle. Sie scheint zwar fromm, entspringt aber nicht dem Geist Jesu, sondern dem Ungeist einer unmenschlichen und letztlich aggressiven Theologie. Denn das Einstampfen der eigenen Bedürfnisse ist Ausdruck einer starken Aggression, die gegen einen selbst gerichtet ist. Doch von solcher Selbstaggression geht kein Segen aus, sondern Härte und Verhärtung.

    Oft wird durch religiöse Vorstellungen die Quelle der Aggression zugeschüttet. Aggression gehört neben der Sexualität zu den wichtigsten Lebensenergien. Doch manche falsch verstandene christliche Askese hat diese Quelle vernachlässigt. Aggression ist die Kraft, etwas anzupacken, etwas in Bewegung zu bringen. Aggression kommt von „aggredi = auf etwas zugehen, etwas in Angriff nehmen“. Sie ist eine wichtige Kraftquelle für jeden von uns. Ohne sie werden wir entweder depressiv oder unser Leben verliert an Biss. Angst vorder Aggression steckt in vielen Menschen. Denn Aggression hat etwas mit Kampf zu tun. Und wir möchten das Ziel unseres Lebens lieber kampflos erreichen. Die Angst vor der Aggression ist oft Angst vor dem Leben mit seinen Auseinandersetzungen. Man weicht dem Lebenskampf aus und verharrt lieber in der Zuschauerrolle.

    Ein Mann, dem als Junge der Jähzorn ausgetrieben wurde, hat im Verlauf seines Lebens gelernt, seine Aggression völlig zu unterdrücken. Als Kind spürte er, dass er gegen den Vater mit seinem Jähzorn keine Chance hatte. Also passte er sich an. Und
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