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Quellen Der Lust

Quellen Der Lust

Titel: Quellen Der Lust
Autoren: B Krahn
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inmitten von wilden Blumen, den Blick auf das Meer gerichtet, die Miene undurchdringlich, doch Genevieve wusste, wer sie war. Oder doch zumindest, wer sie sein sollte.
    „Danke. Es ist eines meiner Lieblingsstücke.“
    Er erhob sich, ging zu dem Kaminsims und beugte sich vor, um das Gemälde gründlicher betrachten zu können. „Die Strichführung ist ungewöhnlich“, sagte er.
    Genevieve zog die Brauen hoch. Für einen Verwalter zeigte er ungewöhnlich viele Kenntnisse. „Sie verstehen etwas von Kunst?“
    Er zögerte einen Moment, bevor er sich umdrehte und ihr über die Schulter hinweg zulächelte. „Da Mr. Jonas-Smythe seine Sammlung ständig erweitert, muss ich ein wenig davon verstehen.“ Er kehrte zu seinem Platz zurück. „Das Bild ist nicht signiert.“
    „Nein.“ Sie signierte niemals eines ihrer Werke, eine Frage der Diskretion, denn Richard hatte viele ihrer Bilder in seinen Häusern.
    „Woher haben Sie es?“
    „Es ist ein Geschenk.“ Von ihr an sich selbst, insofern stimmte es, auch wenn es nicht ganz der Wahrheit entsprach. Aber sie beabsichtigte nicht, ihm die Wahrheit zu sagen.
    Er ließ den Blick zur Tür schweifen, und sie folgte ihm. Sophia kam herein, den Schwanz hoch aufgereckt, und ihre ganze Haltung ließ keinen Zweifel daran, dass dies ihr Haus war und jeder, der sich darin aufhielt, von Glück sagen konnte, dass sie es ihm erlaubte.
    „Wie es scheint, wurde Ihre Bemerkung über Ihre Schwäche für Katzen gehört.“
    „Das ist Sophia. Ich fürchte, sie ist sehr scheu …“
    Sie verstummte, als ihr Haustier, das sich gewöhnlich Fremden nur dann näherte, wenn sie ihr Futter anboten, auf Mr. Cooper zuging, als hinge ihm eine Kette aus Fischen um den Hals. Zu Genevieves Überraschung sprang Sophia ohne Zögern auf Mr. Coopers Schoß. Sie stupste seine Rockaufschläge mit der Vorderpfote an, wischte mit ihrem pelzigen Schwanz über seine Nase und ließ sich dann auf seinen Schenkeln nieder, als wäre dies ihr persönlicher Schlafplatz. Während sie die Pfoten in Mr. Coopers Hose presste, sah sie Genevieve aus zusammengekniffenen Augen an und schnurrte so laut, dass es sich anhörte, als wären drei Katzen im Raum.
    Mr. Cooper räusperte sich. „Ah ja, ich sehe, dass sie außerordentlich schüchtern ist.“
    Als er leicht über den Kopf des Tieres strich, schloss Sophia die Augen und reckte ihm den Hals entgegen.
    Genevieve starrte sie verblüfft an. „So hat sie sich Fremden gegenüber noch nie benommen. Es scheint fast, als würde sie Sie kennen.“
    Leichthin zuckte er mit den Schultern. „Tiere mögen mich.“
    Himmel – der Anblick seiner langen, sehnigen Finger, während er die Katze streichelte, verursachte Genevieve ein Kribbeln in der Magengrube.
    „Erzählen Sie mir mehr über Ihre Schwächen“, sagte er.
    Sie zwang sich, den Blick von der streichelnden Hand abzuwenden. Mehr von ihren Schwächen? Das wagte sie nicht. Vor allem, da es so aussah, als hätte sie eine für ihn. „Meine habe ich schon gestanden. Jetzt sind Sie an der Reihe.“
    Mit einer Hand streichelte er die schläfrige Katze, mit der anderen hielt er die Teetasse, aus der er dann und wann nippte, ohne Genevieve aus den Augen zu lassen. Sein unverwandter Blick brachte sie auf eine Weise in Verlegenheit, die sie nicht zu zeigen wagte. Doch bei all ihrer äußerlichen Ernsthaftigkeit fühlte sie doch in ihrem Inneren etwas, das sie lange vergessen geglaubt hatte, das sie aber oft genug empfunden hatte, um ohne Zweifel zu erkennen, was es war.
    Verlangen.
    Ein Verlangen, dem sie nicht folgen wollte. Nicht folgen konnte. Und deshalb wollte sie es nicht empfinden. Was bedeutete, dass sie diese spontane Teegesellschaft so schnell wie möglich beenden und ihren viel zu gut aussehenden Gast wieder ziehen lassen sollte. Doch wenn sie ihn zu abrupt fortschickte, würde er sich ohne Zweifel fragen, warum sie das tat, ob sie vielleicht irgendein Interesse an ihm hatte.
    Zehn Minuten. Sie würde ihm noch zehn Minuten geben. Das war genügend Zeit, um nicht unhöflich zu erscheinen oder Fragen aufzuwerfen. Sie würde seine Gesellschaft ertragen und ihr unerwartetes und unerwünschtes Verlangen noch für weitere zehn Minuten verbergen.
    „Wir teilen die Schwäche für Bücher“, sagte er.
    „Ach ja? Was lesen Sie gern?“
    „Alles. Jedes. Kürzlich las ich Frankenstein, es hat mir sehr gefallen. Shakespeare und Chaucer sind meine Lieblingsautoren. Da ich an all die Stille hier auf dem Land nicht gewöhnt bin,
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