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Titel: Quellcode
Autoren: William Gibson
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Männersocken in Braun und durchsichtige Plastiksandalen in Hustensaft-Rosa.
    »Alberto Corrales«, sagte der junge Mann.
    »Alberto«, erwiderte Hollis und streckte ihm die Hand hin. Er umfasste sie mit seiner freien Hand, die papiertrocken war. »Hollis Henry.«
    »The Curfew«, sagte Alberto und sein Grinsen wurde noch breiter.
    Tja, die ewigen Fans, dachte Hollis, wie immer erstaunt darüber, und fühlte sich ganz plötzlich unbehaglich.
    »Diese Schmutz in der Luft«, klagte Odile, »ist ganz schrecklich. Ich möchte gehen jetzt und das Werk ansehen.«
    »Okay«, erwiderte Hollis, froh über den Themenwechsel.
    »Hier lang«, dirigierte Alberto und warf die Dose in hohem Bogen in einen pseudomilanesischen, weißen Abfalleimer des Standard. Hollis bemerkte, dass der Wind wie auf ein Stichwort aufgehört hatte.
    Sie warf einen Blick in die Lobby. Der Tresen war verlassen, das Bikini-Girl-Terrarium leer und unbeleuchtet. Sie folgte Alberto und der genervt schniefenden Odile zu Albertos Auto, einem alten VW-Käfer unter mehreren Schichten von glänzendem Lowrider-Lack. Sie sah einen Vulkan, aus dem weißglühende Lava floss, großbusige Latinas in Mini-Lendenschurz und gefiedertem Aztekenkopfputz, die vielfarbigen Windungen einer geflügelten Schlange. Alberto stand offensichtlich auf diesen Ethno-Mischmasch. Oder waren alte VW-Käfer neuerdings auch schon ins Pantheon der Exoten aufgenommen?
    Alberto öffnete die Beifahrertür, während Odile auf die Rückbank schlüpfte, auf der irgendwelche Ausrüstung lag. Dann bot er Hollis den Beifahrersitz an, fast mit einer Verbeugung.
    Erstaunt registrierte sie die bescheiden nüchterne Semiotik des alten VW-Armaturenbretts. Das Auto roch nach irgendeinem Ethno-Lufterfrischer. Auch das sollte etwas bedeuten, wie die Bemalung, vermutete Hollis, aber jemand wie Alberto würde auch mit voller Absicht genau den falschen Lufterfrischer benutzen.
    Er fuhr aus der Parklücke auf den Sunset Boulevard und wendete routiniert. Sie fuhren zurück in Richtung Mondrian. Der Asphalt der Straße war mit vertrockneten Palmenblattfetzen übersät.
    »Ich bin seit Jahren ein Fan«, sagte Alberto.
    »Alberto beschäftigt sich mit Geschichte als internalisiertem Raum«, bemerkte Odile ein wenig zu dicht hinter Hollis' Kopf. »Er glaubt, dieser internalisierte Raum entsteht von Trauma. Immer alles von Trauma.«
    »Trauma«, wiederholte Hollis unwillkürlich, während sie am Pink Dot vorbeifuhren. »Halt doch bitte dort an, Alberto. Ich brauche Zigaretten.«
    »Ollis«, sagte Odile vorwurfsvoll, »du sagst, dass du nicht rauchst.«
    »Ich habe gerade wieder angefangen«, entgegnete Hollis.
    »Aber wir sind da«, sagte Alberto, bog nach links in die Larrabee Street ein und parkte.
    »Wo da?«, fragte Hollis und riss die Tür auf, um gleich loslaufen zu können.
    Alberto wirkte zwar ernst, aber nicht unbedingt schwer traumatisiert. »Ich hole meine Ausrüstung. Ich hätte gern, dass du zuerst mein Werk ansiehst. Dann können wir darüber reden, wenn du willst.«
    Er stieg aus. Hollis tat es ihm nach. Die Larrabee führte steil hinunter zu den beleuchteten Stadtteilen in der Ebene, so steil, dass Hollis das Stehen unangenehm fand. Alberto half Odile vom Rücksitz. Sie lehnte sich gegen den Käfer und verschränkte die Hände unter ihrem Sweatshirt. »Ich habe kalt«, maulte sie.
    Es war jetzt kühler, bemerkte Hollis, ohne den warmen Wind. Sie sah an dem gesichtslosen, pinkfarbenen Hotel vor ihr hinauf, während Alberto in seinem Pendleton-Hemd im Wagenfond herumkramte. Er förderte einen verbeulten Aluminium-Fotokoffer zutage, der über und über mit schwarzem Textilklebeband beklebt war.
    Ein langes, silbernes Auto glitt lautlos auf dem Sunset vorbei, während Hollis und Odile hinter Alberto den steilen Gehweg hinaufgingen.
    »Was gibt es hier zu sehen, Alberto?«, fragte Hollis, als sie an der Ecke angekommen waren. Er kniete sich hin und öffnete den Koffer. Das Innere war mit Schaumstoffblöcken ausgepolstert. Er zog etwas heraus, das Hollis zuerst für eine Schweißermaske hielt. »Setz das auf!« Er gab ihr das Ding.
    Ein gepolstertes Stirnband mit einer Art Visier daran. »Virtual Reality?« Beim Aussprechen wurde ihr bewusst, dass sie diesen Begriff seit Jahren nicht mehr gehört hatte.
    »Die Hardware hinkt etwas hinterher«, sagte Alberto. »Zumindest die, die ich mir leisten kann.« Er nahm einen Laptop aus dem Koffer, klappte ihn auf und schaltete ihn ein.
    Hollis setzte das Visier auf.
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