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Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene
Autoren: authors_sort
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und dass die Telekommunikation nicht mitspielte.
    Ganz offenkundig war es nicht Sues Schuld – sie wusste doch wohl, wie man eine Nummer eingab, um Gottes willen –, aber das hielt Ray nicht davon ab, sie jedesmal wütend anzustarren, wenn er nachfragte. Und Ray Scutter konnte verdammt wütend gucken. Große Augen mit Stecknadelpupillen, buschige Augenbrauen, der Spitzbart grau gesprenkelt … sie hatte mal gedacht, dass er ziemlich gut aussehen könnte, wenn nicht das fliehende Kinn und die leicht hängenden Wangen wären. Aber von diesem Gedanken war sie längst abgekommen. Wie hieß der Spruch noch mal? Schönheit kommt von innen. Was bei Ray von innen kam, war einfach nicht besonders schön.
    Er drehte sich um und stapfte in sein Büro zurück. »Natürlich«, knurrte er über die Schulter, »wird das alles irgendwie auf mich zurückfallen.«
    J 3 dachte Sue voller Überdruss. Das war in den letzten Monaten, seit sie für Ray Scutter arbeitete, zu ihrem Mantra geworden. J 3 : Ja, ja, ja. Ray war von lauter Inkompetenten umzingelt. Ray wurde vom Forschungspersonal übergangen. Ray wurden bei jeder Gelegenheit Steine in den Weg gelegt. Ja, ja, ja.
    Noch einmal, für alle Fälle, versuchte sie die Verbindung nach Washington herzustellen. Das Telefon ließ eine Fehlermeldung aufblinken: KEINE VERBINDUNG ZUM SERVER. Die gleiche Meldung kam für jede Telefon-, Video- oder Netzverbindung außerhalb der internen Blind-Lake-Schleife. Die einzige Verbindung, die funktioniert hatte, war die zu Rays Haus – hier in der Stadt – gewesen, ein Anruf für seine Tochter, um ihr mitzuteilen, dass es heute spät werden würde. Alles andere waren eingehende Anrufe gewesen: von der Sicherheit, dem Personal und der militärischen Kontaktstelle.
    Wäre Sue nicht so müde gewesen, hätte sie sich vielleicht Sorgen gemacht. Aber wahrscheinlich war es nichts weiter. Im Moment hatte sie keinen anderen Wunsch, als nach Hause zu gehen und ihre Schuhe von sich zu werfen, ihr Abendessen in die Mikrowelle zu stellen und einen Joint zu rauchen.
    Das Terminal summte erneut – laut Bildschirmanzeige ein Anruf von Ari Weingart von der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. Sie nahm ab. »Ari«, sagte sie. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ist Ihr Chef da?«
    »Anwesend, aber nicht scharf darauf, gestört zu werden. Ist es dringend?«
    »Na ja, sozusagen. Ich hab hier drei Journalisten und weiß nicht, wohin mit ihnen.«
    »Buchen Sie ihnen doch ein Motel.«
    »Sehr komisch. Die haben eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Wochen.«
    »Und das hat Ihnen niemand in den Kalender geschrieben?«
    »Tun Sie nicht so begriffsstutzig, Sue. Offensichtlich müssten sie eigentlich in den Gästezimmern im Besuchszentrum untergebracht werden – aber die Personalabteilung hat alle Betten mit Tagesarbeitern belegt.«
    »Tagesarbeitern?«
    »Na ja! Weil die Busse nicht nach Constance rauskommen.«
    »Die Busse kommen nicht raus?«
    »Haben Sie die letzten paar Stunden in der Isolationszelle gesessen? Die Straße ist am Tor gesperrt. Kein Verkehr nach drinnen oder nach draußen. Totale Ausgangssperre.«
    »Seit wann?«
    »Ungefähr Sonnenuntergang.«
    »Wie kommt das denn?«
    »Wer weiß? Entweder eine glaubwürdige Bedrohung der Sicherheit oder wieder mal eine Übung. Man glaubt allgemein, dass sich die Sache bis morgen Früh klärt. Aber in der Zwischenzeit muss ich diese Leute irgendwo unterbringen.«
    Ray Scutter würde, mit diesem Problem konfrontiert, nur gleich wieder auf hundertachtzig sein, jedenfalls mit Sicherheit nichts Hilfreiches zu seiner Lösung beitragen. Sue dachte nach. »Vielleicht könnten Sie bei der Standortverwaltung anrufen und fragen, ob sie die Sporthalle im Freizeitcenter aufmachen. Ein paar Klappbetten für die Nacht reinstellen. Wie wäre das?«
    »Absolut genial, verdammt«, sagte Ari. »Hätte ich selber drauf kommen können.«
    »Falls irgendeine Autorisierung nötig ist, berufen Sie sich auf mich.«
    »Sie sind ein Schatz. Wünschte, ich könnte Sie Ray entreißen und für mich engagieren.«
    Wünschte ich auch, dachte Sue.
    Sue stand auf, streckte sich. Sie ging zum Fenster und schob die Vertikal-Jalousien auseinander. Hinter den Dächern der Angestelltenhäuser und der Dunkelheit des unbebauten Graslandes konnte sie gerade noch die Straße nach Constance ausmachen, dazu die Lichter der Notfallfahrzeuge und deren unheimliches Blinken am Südtor.
     
    Marguerite Hauser dankte dem gütigen Schicksal, das sie in einem Reihenhaus
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