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Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene
Autoren: authors_sort
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(auch wenn es eins der kleineren, älteren war) auf der Nordostseite des Blind-Lake-Geländes untergebracht hatte, so weit wie möglich von ihrem Exmann Ray entfernt. Es lag etwas Beruhigendes in dieser zehnminütigen Heimfahrt mit Tess, eine Überbrückung von Raum, (ähnlich einer Zugbrücke über einem Burggraben.
    Tess war während der Fahrt wie üblich still – vielleicht noch ein bisschen stiller als üblich. Als sie sich etwas zu essen aus dem Drive-thru in der Geschäftsstraße holten, zeigte Tess wenig Interesse am Speisenangebot. Zu Hause angelangt, trug Marguerite die Hähnchensandwiches, während Tess ihre Tasche nach drinnen schleppte, »Funktioniert die Videoanlage?«, fragte Tess teilnahmslos.
    »Warum sollte sie nicht?«
    »Bei Papa hat sie nicht funktioniert.«
    »Probier es einfach aus. Ich hole inzwischen Teller für das Essen.«
    Vor dem Videogerät zu essen war noch immer etwas Neues für Tess. Es war dies eine Gewohnheit, die Ray nicht zugelassen hatte. Ray hatte immer darauf bestanden, am Tisch zu essen: »Familienzeit«, unweigerlich beherrscht von Rays täglichem Beschwerdenkatalog. Da waren, ehrlich gesagt, sogar die Downloads als Gesellschaft vorzuziehen, dachte Marguerite. Vor allem die alten Filme. Tess mochte die schwarzweißen am liebsten; sie war fasziniert von den altertümlichen Automobilen und der merkwürdigen Kleidung. Sie ist xenophil veranlagt, dachte Marguerite. Kommt nach mir.
    Doch Marguerites Videoanlage erwies sich als ebenso unbrauchbar, wie es offenbar Rays gewesen war, und so mussten sie sich mit dem begnügen, was der Speicher des Hauses zu bieten hatte. Sie entschieden sich für eine hundert Jahre alte Komödie mit Bob Hope, Detektiv mit kleinen Fehlern. Tess, die normalerweise lauter Fragen über das zwanzigste Jahrhundert und darüber, warum dort alles so seltsam aussah, gestellt hätte, pulte nur an ihrem Essen herum und starrte auf den Bildschirm.
    Marguerite legte ihrer Tochter eine Hand auf die Stirn. »Wie fühlst du dich, Kleines?«
    »Ich bin nicht krank.«
    »Hast einfach nur keinen Hunger?«
    »Glaub schon.« Tess rutschte näher, und Marguerite legte einen Arm um sie.
    Nach dem Abendessen machte Marguerite sauber, bezog die Betten neu, half Tess, ihre Schulbücher zu sortieren. In einem Anfall von fehlinvestiertem Optimismus zappte Tess sich durch die Unterhaltungsprogrammlisten auf dem blauen Bildschirm, um sich dann den Bob-Hope-Film ein zweites Mal anzusehen und schließlich zu verkünden, dass sie ins Bett gehen wolle. Marguerite beaufsichtigte das Zähneputzen; als Tess dann im Bett lag, deckte sie sie zu. Marguerite gefiel das Zimmer ihrer Tochter, mit dem kleinen, nach Westen gehenden Fenster, dem rosa Deckbett mit Fransen, der wachsamen Brigade von Stofftieren auf der Kommode. Es erinnerte sie an ihr eigenes Zimmer in Ohio vor langer Zeit, abzüglich der gutgemeinten Bibelgeschichten für Kinder in mehreren Bänden, die ihr Vater in der vergeblichen Hoffnung angeschafft hatte, sie würden die Frömmigkeit in ihr wachrufen, die ihr offenkundig abging. Tessas Bücher waren von ihr selbst ausgewählt und tendierten in Richtung Fantasy oder Populärwissenschaft. »Möchtest du noch ein bisschen lesen?«
    »Glaube nicht«, sagte Tessa.
    »Hoffentlich fühlst du dich morgen Früh besser.«
    »Mir geht’s gut. Ehrlich.«
    Marguerite blickte noch einmal zurück, als sie das Licht ausschaltete. Tessas Augen waren bereits geschlossen. Tess war elf, sah aber jünger aus. Sie hatte noch immer runde Wangen und ein Babyfettpolster unterm Kinn. Ihre Haare wurden zwar dunkler, zeigten sich aber noch in einem schmutzigen Blond. Marguerite vermutete, dass sich unter diesem Kindheitskokon allmählich eine junge Frau herausbildete, aber deren Züge waren noch unbestimmt, schwer vorherzusehen.
    »Schlaf gut«, flüsterte Marguerite
    Tess schmiegte sich in ihr Deckbett und bohrte den Kopf ins Kissen.
    Marguerite machte die Tür zu. Sie ging durch den Flur zu ihrem Büro – einem umgerüsteten dritten Schlafzimmer –, entschlossen, vor Mitternacht noch ein bisschen von ihrer Arbeit zu erledigen. Jeder einzelne ihrer Abteilungsleiter hatte Videoabschnitte aus den vergangenen vierundzwanzig Stunden des Subjekts markiert, die sie überprüfen sollte. Marguerite dimmte das Licht herunter und rief die Berichte auf ihrem Wandbildschirm auf.
    Bei Physiologie und Gebärden war man noch immer von den Lungenlamellen des Subjekts besessen. »Mögliche Lamellensignale bei
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