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Quarantaene

Quarantaene

Titel: Quarantaene
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neues Buch. Er arbeitete seit einigen Wochen daran, mitunter geradezu fieberhaft. »Ist Tess schon zu Bett gegangen?«
    »Sie ist in ihrem Zimmer und liest noch.«
    Marguerite ging nach oben, um nachzusehen.
    Das Verstörendste an den Ereignissen von Blind Lake lag für Marguerite darin, dass sie von einer Verbindung zeugten, die eine ungeheure Entfernung mithilfe eines unbegriffenen Mediums überbrückte, eine Verbindung, die es ihr ermöglicht hatte, das Subjekt zu berühren (und von ihm berührt zu werden); das Subjekt, das die ganze Zeit irgendwie gewusst hatte, dass es beobachtet wurde.
    Sehen verändert das Gesehene. War Tess auf die gleiche Weise beobachtet worden? Oder sie, Marguerite? Und wenn ja, würde sie das irgendwann ans Ende einer schier unvorstellbaren Pilgerfahrt führen, an einen jener geheimnisvollen, mit den Sternen verbundenen Orte – an Stelle des Todes ein Sturz ins Unendliche?
    Noch nicht, dachte Marguerite. Vielleicht nie. Auf alle Fälle aber jetzt noch nicht.
    Sie fand Tess vollständig angekleidet auf der Überdecke liegen und schlafen, das Buch noch aufgeschlagen, die Haare zerzaust. Marguerite weckte sie sanft und half ihr, ins Nachthemd zu schlüpfen.
    Als Tess dann ordnungsgemäß im Bett lag, war sie wieder hellwach. Marguerite sagte: »Möchtest du etwas? Ein Glas Wasser vielleicht?«
    »Eine Geschichte«, sagte Tess sofort.
    »Ich kenne wirklich nicht so furchtbar viele Geschichten.«
    »Über ihn«, sagte Tess.
    Wen? Chris, Ray, ihren Großvater?
    »Das Subjekt«, sagte Tess. »Alles, was mit ihm passiert ist.«
    Marguerite war verblüfft. Es war das erste Mal, dass Tess Interesse an dem Subjekt bekundete. »Möchtest du wirklich alles darüber hören?«
    Tess nickte. Sie legte sich auf den Rücken und stieß mit dem Kopf rhythmisch gegen das Kissen, sanft, etwa einmal pro Sekunde. Sommerliche Luft ließ die Jalousie leicht gegen das Holz der Fensterbank schlagen.
    Nun gut. Wo beginnen? Marguerite versuchte sich an die Aufzeichnungen zu erinnern, die sie in Gedanken an Tess angefertigt hatte. Etliche Seiten, die sie vollgeschrieben, aber nie jemandem gezeigt hatte. Unerzählte Geschichten.
    Aber sie brauchte gar keine Aufzeichnungen.
    »Als Erstes«, sagte Marguerite, »musst du dir klarmachen, dass es eine Person war. Nicht genau so wie du und ich, aber auch nicht völlig anders. Es lebte in einer Stadt, die es sehr liebte, auf einer trockenen Ebene unter einem staubigen Himmel, in einer Welt nicht ganz so groß wie unsere.«
    Vor langer Zeit. Weit, weit weg.
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