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Qual (German Edition)

Qual (German Edition)

Titel: Qual (German Edition)
Autoren: Stephen King , Richard Bachman
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nichts klein. Er ließ mich auslachen, und als ich damit fertig war, fragte er mich, was so komisch sei.
    »Sie erzählen mir, dass ich zu reich bin, um mich umzubringen«, sagte ich.
    »Ich erzähle Ihnen, dass Sie sich Zeit lassen müssen. In Ihrem Fall habe ich eine sehr starke Intuition – dieselbe Intuition, aus der ich Ihnen die Puppe mitgebracht habe, die Sie … wie haben Sie sie genannt?«
    Das fiel mir nicht gleich ein. Dann dachte ich: It was RED!, und erzählte ihm, wie ich meine flauschige blonde Zornpuppe genannt hatte.
    Er nickte. »Ja, dieselbe Intuition, aus der ich Ihnen Reba mitgebracht habe. In Ihrem Fall besagt meine Intuition, dass Zeit Sie besänftigen könnte. Zeit und Erinnerung.«
    Ich erzählte ihm nicht, dass ich mich an alles erinnern konnte, woran ich mich erinnern wollte. Er kannte meine Auffassung davon. »Von wie viel Zeit reden wir, Kamen?«
    Er seufzte, wie ein Mann es tut, bevor er etwas sagt, das er womöglich bereuen wird. »Mindestens ein Jahr.« Er studierte mein Gesicht.« »Das kommt Ihnen sehr lange vor. In Ihrem jetzigen Zustand.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich empfinde die Zeit jetzt anders.«
    »Natürlich tun Sie das«, sagte er. »Schmerzzeit ist anders. Alleinzeit ist anders. Kombiniert ergeben sie etwas ganz anderes. Stellen Sie sich also vor, Sie wären ein Trinker, und machen Sie’s wie diese Leute.«
    »Einen Tag nach dem anderen?«
    Er nickte. »Einen Tag nach dem anderen.«
    »Kamen, Sie reden lauter Scheiß.«
    Er sah aus den Tiefen der alten Couch zu mir auf, ohne zu lächeln. Ohne Hilfe würde er dort nie mehr rauskommen.
    »Vielleicht sí , vielleicht no «, sagte er. »Inzwischen … Edgar, macht irgendetwas Sie glücklich?«
    »Ich weiß nicht … früher habe ich gezeichnet.«
    »Wann?«
    Mir wurde klar, dass ich, seit ich in der Highschool Zeichnen als Wahlfach belegt hatte, um zusätzliche Punkte zu bekommen, nicht mehr getan hatte, als Männchen zu kritzeln, während ich telefonierte. Ich überlegte, ob ich in diesem Punkt lügen sollte – es war mir peinlich, als unkreatives Arbeitstier wahrgenommen zu werden –, und sagte dann die Wahrheit. Einarmige sollten möglichst immer die Wahrheit sagen. Das sagt nicht Kamen; das sage ich.
    »Fangen Sie’s wieder an«, sagte Kamen. »Sie brauchen einen Schutzwall.«
    »Schutzwall?«, fragte ich verständnislos.
    »Ja, Edgar.« Er wirkte überrascht und leicht enttäuscht, als hätte ich eine sehr einfache Idee nicht verstanden. »Einen Schutzwall gegen die Nacht.«
     
    Ungefähr eine Woche nach Kamens Besuch kreuzte Tom Riley bei mir auf. Das Laub hatte angefangen, sich bunt zu verfärben, und ich weiß noch, wie das Personal im Wal-Mart Halloweenplakate aufhängte, als ich einige Tage vor dem Besuch meines ehemaligen Buchhalters dort Skizzenblöcke und sonstigen Zeichenbedarf kaufte; genauer kann ich den Zeitpunkt nicht angeben.
    Am deutlichsten erinnere ich mich daran, wie befangen und verlegen Tom bei diesem Besuch wirkte. Er war mit einem Auftrag gekommen, der ihm widerstrebte.
    Ich bot ihm ein Cola an, das er dankend annahm. Als ich aus der Küche zurückkam, begutachtete er eine Federzeichnung von mir – drei Palmen als Silhouetten vor einer Wasserfläche; am linken Rand ein ins Bild hineinragendes altes Ziegeldach. »Das ist ziemlich gut«, sagte er. »Hast du das gezeichnet? «
    »Nö, die Elfen«, sagte ich. »Die kommen nachts. Flicken meine Schuhe und lassen gelegentlich eine Zeichnung da.«
    Er lachte zu laut und legte die Skizze auf den Schreibtisch zurück. »Sieht abba nicht sehr nach Minnnesodda aus«, sagte er mit gespieltem schwedischem Akzent.
    »Ich hab’s aus einem Buch abgezeichnet«, sagte ich. »Was kann ich für dich tun, Tom? Wenn’s ums Geschäft geht …«
    »Tatsächlich hat Pam mich gebeten, zu dir rauszufahren.« Er zog den Kopf leicht ein. »Ich hatte keine große Lust dazu, aber wie hätte ich ablehnen können?«
    »Tom«, sagte ich, »nun spuck’s schon aus. Du weißt, ich beiße nicht.«
    »Sie hat sich einen Anwalt genommen. Sie macht mit dieser Scheidungssache weiter.«
    »Ich habe nie geglaubt, dass sie’s nicht tun würde.« Das war die Wahrheit. Ich konnte mich noch immer nicht daran erinnern, sie gewürgt zu haben, aber ich erinnerte mich an den Blick, mit dem sie mir vorgeworfen hatte, es getan zu haben. Ich erinnerte mich daran, sie als treuloses Mistbeet bezeichnet und das Gefühl gehabt zu haben, wenn sie in diesem Augenblick tot umfiele, dort drüben am Fuß
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