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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Autoren: Doris Cramer
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Lucias schwankende Stimmungen gern mit einer schweren, fiebrigen Erkrankung in ihren frühesten Jahren, die zu schwachen Nerven und einer gesteigerten Empfindsamkeit geführt hätte. Insgeheim war Mirijam jedoch davon überzeugt, dass Lucia diese Erklärung hervorragend in den Kram passte. Oder stimmte es etwa nicht, dass sie furchtbar gern im Mittelpunkt stand und es liebte, andere nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen? Selbst Cornelisz hatte Lucia längst durchschaut. » Unsere Prinzessin«, so nannte er Lucia, manchmal auch » Ihre Hoheit«. Irgendwann würde sie es ihr ins Gesicht sagen, dass sie sich dieses Getue sparen konnte, sie jedenfalls ließ sich nicht davon beeindrucken.
    Andererseits liebte sie Lucia natürlich, wie sollte sie auch nicht? Oft genug hatte die Schwester sie in die Arme genommen, mit ihr gespielt, getanzt, gelacht. Und immer wieder hatte sie zu ihr gestanden und ihr geholfen. Als Mirijam zum Beispiel einen der kostbaren chinesischen Teller zerschlagen hatte oder als sie abends zu spät ins Haus gekommen war, weil sie unbedingt im Stall hatte bleiben wollen, bis die helle Stute ihr Fohlen auf die Welt gebracht hatte. Oder damals, als ihr in der Vorratskammer der Topf mit dem frischen Pflaumenmus heruntergefallen war und sie diese tiefe Schnittwunde davon getragen hatte … Mirijam atmete tief ein. In ihrer Brust drückte etwas, so dass sie nur schlecht Luft bekam. Es tat scheußlich weh, und sie musste Acht geben. Auch sie hatte heute nah am Wasser gebaut, wie man so sagt. Doch sie riss sich zusammen.
    » Ich mache mich jetzt jedenfalls ans Packen.« Energisch öffnete sie den Schrank und begann, ihre Sachen in die ledernen Reisetruhen mit dem gewölbten Deckel zu legen. Neben einigen Erinnerungsstücken, die von ihrer Mutter stammten und ganz nach unten in die Truhe kamen, besaß sie nicht viel. Schuhe und etwas Wäsche, darunter ein zweites Mieder, das ihr noch etwas zu groß war, legte sie ebenfalls nach unten.
    Seit ein paar Monaten bestand Muhme Gesa darauf, dass sie sich anständig kleidete, oder was sie sich darunter vorstellte, und seitdem musste sie täglich das lästige Ding tragen. Jetzt konnte sie nicht einmal mehr ohne Hilfe aufs Pferd steigen! Und auf einen Baum klettern? Kein Gedanke daran, wenn sie nicht vorher das Mieder auszog. Ein Mädchen hatte es schwer, als Junge wäre sie eindeutig besser dran, dachte sie wieder einmal.
    Ihre wenigen Schmuckstücke, einige Bücher sowie ihre Kleider und Umhänge waren schnell gepackt. Sie war der Antwerpener Gesellschaft noch nicht offiziell vorgestellt worden, deshalb bestand ihre Garderobe aus schlichten Stoffen und bescheidenen Gewändern. Ihr war das nur recht, im Gegensatz zur Schwester, die ihre schönen Kleider über alles liebte.
    Endlich sprang auch Lucia wieder auf die Füße. Sie stemmte die Arme in die Seiten. » Also gut, da es nun einmal sein Wille ist.« Ungeduldig riss sie Unterröcke, Hemden und andere Weißwäsche aus dem geschnitzten Schrank und stopfte die Sachen wahllos in ihre beiden Reisetruhen. » Ich bin also jetzt verlobt und reise zu meinem zukünftigen Ehemann. Wer hätte das gedacht?« Sie lachte ein wenig gekünstelt.
    » Hörst du, Gesa?«, rief sie der Muhme entgegen, die soeben die Kammer betrat. » Ich werde heiraten. Und in der Sonne leben, wie herrlich! Endlich Sonne, das ganze Jahr über, und nicht wie hier andauernd Regen, Nebel und Sturm. Bald werde ich unter Granatapfelbäumen spazieren gehen, Pomeranzen und frische Zitronen von meinen eigenen Bäumen pflücken und jeden Tag üppige Sträuße duftender Rosen schneiden! Also weine ich nicht länger, sondern freue mich lieber.«
    Lucia war groß, größer als Mirijam oder Muhme Gesa, und hatte bereits die Figur einer Frau, ihr Verhalten aber war immer noch das eines Mädchens, das daran gewöhnt war, jeden Wunsch erfüllt zu bekommen. » Hole mir sogleich Mutters Perlenkappe, Gesa. Und auch die anderen Sachen: ihre Granatkette, den seidengefütterten Umhang, die Haarbürsten sowie die silbernen Haarnadeln und natürlich ihren venezianischen Handspiegel. Du hättest das alles schon längst in meine Brauttruhe legen können!«
    Die alte Gesa ertrug Lucias herrisches Gehabe kommentarlos, dabei litt sie sichtlich unter der bevorstehenden Trennung. Sie war blass vor Kummer, und die Falten in ihrem Gesicht hatten sich noch ein wenig tiefer eingegraben.
    Sie sorgte sich sehr um Lucia, deren Amme sie wurde, als Lucias Mutter, Andrees’ erste Frau, im
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