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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Autoren: Doris Cramer
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Seidenkordel umwickelt. » Dies ist das Vermächtnis deiner Mutter, Mirijam«, sagte Gesa leise und ein bisschen feierlich. » Sie wollte eigentlich, dass du diese Briefe an deinem Hochzeitstag bekommst, doch nun händige ich sie dir schon heute aus. Sie schickt sie dir mit ihrem Segen.«
    Gesa wandte sich ab und stopfte das schmale Päckchen zuunterst in Mirijams Truhe. Dann ließ sie sich auf den Bettrand fallen und presste kurz die Hände gegen ihre Schläfen. Sie sammelte sich. All das ging ihr sichtlich nahe.
    » In den Wochen vor deiner Geburt fühlte sie sich nicht wohl, sie lag viel und ruhte sich aus. Damals hat sie die, wie sie sie nannte, Briefe an ihr Kind geschrieben. Sie haben etwas mit ihrer Familie zu tun, mit ihrer Mutter und ihrer Heimatstadt Granada, glaube ich. Genau weiß ich es leider nicht. Als sie mir später das Bündel anvertraute, konnte sie im Fieber schon nicht mehr klar sprechen«, erklärte sie und streichelte Mirijams Hand. » Wenn ich sie damals recht verstanden habe, darfst du sie erst als Braut öffnen oder falls du schwer erkrankst oder sonstwie in Not geraten solltest. › Sag meiner geliebten Mirijam, sie muss sie hüten. Sie sind mir sehr wichtig.‹ Das waren ihre Worte.«
    Gesa erhob sich, beugte sich erneut über die Truhe und legte einen weiteren Umhang hinein, dann schloss sie den Deckel. Als sie sich wieder aufrichtete und Mirijam anschaute, glitzerten Tränen in ihren Augen.
    Jetzt konnte auch Mirijam nicht länger an sich halten. Schluchzend umklammerte sie die Haushälterin. » Ach, Gesa, Vater soll nicht sterben! Ich will, dass alles so bleibt, wie es ist!«
    Die alte Gesa hielt das Mädchen in den Armen und streichelte seine zuckenden Schultern. » Ich weiß, mein Kind, und mir ergeht es nicht anders. Aber es ist nun einmal, wie es ist auf der Welt: Der Mensch denkt, und Gott lenkt. Wir müssen uns fügen.«
    Lucia saß auf ihrem Lager und starrte auf die gepackten Reisetruhen. Sie knetete ihre Finger. Schwer lastete das Schweigen auf den dreien.
    » Denkt immer daran, was euer Vater und ich euch gelehrt haben, dann habt ihr eine Richtschnur im Leben«, mahnte Gesa. » Und jetzt wollen wir uns freuen, dass ihr in das schöne Spanien reisen dürft. Ihr werdet sehen, erst einmal in Granada angekommen, wird es euch gefallen. Wie Lucia vorhin ganz richtig sagte, die Sonne und die vielen schönen Blumen, all das werdet ihr von Herzen genießen und schon bald nicht mehr missen wollen. Und eines Tages werdet ihr wiederkommen und mir erzählen, wie es euch ergangen ist …« Die Tränen in ihren Augen straften ihre Worte Lügen, und sie musste sich abwenden.
    Lucias Blick verlor sich in unbestimmter Ferne, und Mirijam nickte tapfer, als glaube sie jedes von Gesas Worten.
    Dann öffnete Mirijam einen Fensterflügel und starrte auf den Hafen hinunter. Einige der Masten da draußen gehörten zu den drei Schiffen, die noch heute Abend Richtung Spanien aufbrechen würden: die Palomina, die Sacré Cœur und die Santa Katarina. Plötzlich wirkte das Wasser fremd und bedrohlich und die Masten der Schiffe wie gen Himmel gerichtete Lanzen.

4
    Mirijam zitterte unter ihrem warmen Umhang, als sie durch die frühe Dämmerung zum Hafen gingen. Lucia stolperte mit tränenblinden Augen neben ihr, gestützt von Muhme Gesa, die ihre Tränen ebenfalls kaum zurückhalten konnte. Begleitet wurden sie von Advocat Cohn sowie einigen Hausbediensteten und Lagerarbeitern, die den Weg mit Fackeln beleuchteten. Einige trugen die Reisetruhen, andere den Weidenkorb, in dem sich der Reiseproviant aus Gesas Vorratskammer befand. Außerdem folgte ihnen eine Menge neugieriger Jungen und alter Tunichtgute, wie bei jedem Auslaufen eines Schiffes. In Mirijams Ohr klangen die Worte des Vaters nach. Als er ihnen zum Abschied seinen Segen gab, hatte seine Stimme brüchig geklungen. » Seid stark, meine lieben Kinder. Steht zusammen, wie ihr es in eurem Vaterhaus gelernt habt, und helft einander. Darin werdet ihr stets Kraft finden.« Lucia und Mirijam knieten an seinem Lager und küssten seine Hände. Weinend umklammerte Lucia die Hand des Vater, und auch Mirijam kämpfte mit den Tränen, doch sie wollte seine Sorge nicht noch vergrößern, indem sie die Fassung verlor. Furcht, Beklemmung und die Anstrengung schnürten ihr allerdings die Kehle zu, so dass sie kaum atmen konnte. » Du bist wie deine Mutter, mein Kind«, sagte der Vater zu ihr. » Du hast den gleichen starken Willen wie sie, der wird dir helfen. Geht
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