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Purgatorio

Purgatorio

Titel: Purgatorio
Autoren: Tomás Eloy Martínez
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zoomte auf ein Häufchen welkes nasses Heu, aus dem winzig wie eine Ameise der Hungerkünstler auftauchte: »Zertretet mich nicht«, schrie er mit so schriller, so ungreifbarer Stimme, dass nur die Fernsehmikrophone sie einfangen konnten. »Zertretet mich nicht, ich bin ein Verschwundener!« Der Sketch endete, als sich eine riesige Schuhsohle unerbittlich auf den Komödianten senkte, während das Publikum in Applaus und Gelächter ausbrach.
    Die Komödie machte sie noch trauriger. Zum Schlafen entschieden sie sich für getrennte Zimmer, und sie wünschten einander leidenschaftslos eine gute Nacht. Um zehn Uhr mussten sie einen Flug nach Recife nehmen, von wo aus sie in einer zweiwöchigen Kreuzfahrt die brasilianische Küste hinunterfahren würden. Das war das Hochzeitsgeschenk des Vaters.
    Sie waren schon mehrere Tage auf See, als sie am Mittagstisch erfuhren, dass sich der Schauspieler des Sketchs aus eigenem Antrieb bei Publikum und Behörden entschuldigt hatte. »Ich mache geschmacklose Scherze«, hatte er gesagt. »Aus Geistlosigkeit trage ich zu den Diffamierungskampagnen gegen unser Land bei. Ich bin unwürdig, unter Ihnen zu leben. Wir Argentinier sind Leute des Friedens, und ich habe diesen Frieden nicht respektiert. Scherze über die Verschwundenen arbeiten der Subversion in die Hände.« Einer der Schiffsoffiziere hatte in einer Nachrichtensendung die Reueszene gesehen und erzählte sie bei Tisch. Der arme Mann hatte tiefe Augenringe, als wären sie ihm aufgemalt worden, sagte er. Scheinheiliger Mistkerl, Scheißneger, bemerkte die ältere, stark geschminkte Dame neben ihm. Leute dieses Schlages verdienen es nicht zu leben. Wenn ich ein Mann wär, würde ich keinen einzigen am Leben lassen. Alle aßen schweigend weiter.
    Das Gefühl falscher Liebe, das Emilia in der Hochzeitsnacht gehabt hatte, verschwand am nächsten Tag wie durch ein Wunder in der unbequemen Koje des Schiffs, das von Recife ablegte. Als Simón beim Unterbringen der Koffer in der Kabine mit den Händen ihren Bauch streifte, verspürte sie das Feuer der Erregung, das sie seit ihrer ersten Menstruation tief in sich bewahrt hatte. Endlich konnte sie sie ohne die Ziererei der Jungfräulichkeit und des katholischen Schuldgefühls stillen. Sie legte sich aufs Bett und bat Simón, ihr ein für alle Mal das verflixte Hymen zu zerreißen. Doch Simón hatte nicht dieselbe Eile. Er wollte jede Minute ausdehnen, in langsame Stückchen des Verlangens zerlegen, mit sämtlichen Sinnen in Emilias Körper eintreten. Lass uns langsam machen, mein Schatz, sagte er. Es ist das erste Mal für dich. Sie war ungeduldig und verstand nicht, warum ihr Mann die Penetration hinauszögerte. Nicht langsam, jetzt, drängte sie. War das christlich? Nichts wünschte sie sich in diesem Moment so sehr, wie verletzt, verunstaltet, zerstückelt zu werden. Als sie ein kleines Mädchen von sieben oder acht Jahren war, hatte ihr die Köchin erzählt, entjungfert zu werden sei wie sterben. Sie würde denselben Schmerz wie im Tod empfinden, aber mit diesem Schmerz begännen alle Lüste Gottes.
    Sie überließ Simón die Initiative, der sie entkleidete und zum ersten Mal das rosa Muttermal auf ihrer rechten Gesäßbacke entdeckte, rund wie eine Zehn-Centavo-Münze, und sich bei dem kleinen Fältchen Orangenhaut aufhielt, das auf einem der Schenkel erschienen war. Alles, weil sie noch immer Jungfrau war – hatte sie sich gesagt –, mit ihren ganzen Jahren noch Jungfrau und schon Zellulitis, und er leckte die sanfte, fast unsichtbare Flaumlinie, die vom Nabel zur Mitte ihres Wesens hinunterführte. Sie hatte die Augen geschlossen, als er, ebenfalls nackt, mit der Zunge ihre Lippen öffnete und sich in ihrem Speichel verfing. Sowie sie seinen Duft und seine Sanftheit spürte, ging ihr Herz durch, noch nie hatte es so sehr gepocht, und sie dachte, allzu lange würde sie das nicht aushalten, doch es schlug noch heftiger, als Simón mit der Zunge zwischen ihre Schenkel drang.
    Da nicht, sagte sie. Es ist salzig. Er hob den Kopf und lächelte ihr von unten zu: Wie weißt du, dass es salzig ist? Und ohne auf sie zu hören, versenkte er sich in ihre Tiefen, bis ihn die angeschwollenen inneren Lippen gefangennahmen. Jetzt, bitte, stöhnte Emilia. Gib es mir jetzt, bitte. Sanft drang Simón in sie ein, bahnte sich einen Weg zum Hymen, das geschmeidiger war, als er angenommen hatte. Er hörte ein kurzes Wimmern, und der Schwindel der Ejakulation beherrschte ihn.
    Es tut mir leid, sagte
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