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Puppentod

Titel: Puppentod
Autoren: Katharina Winter
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jemand?

    Reflexartig rollte sie sich unter die Bank, zog blitzschnell die leere Tasche hinterher und hielt die Luft an. Doch nichts geschah. Es war vielleicht nur ein Tier gewesen.
    Sie kroch wieder hervor, verstaute Michaels Druckluftflasche in der Tasche, stellte die andere auf genau den gleichen Platz und verschwand so lautlos, wie sie gekommen war.

3
    Michael blickte zur Uhr. Zwanzig Minuten telefonierte er nun schon mit einer Angestellten der Fluggesellschaft, um seinen morgigen Flug zu stornieren und einen neuen zu buchen. Es schien alles voll zu sein, und sie hatte Mühe, ihn in einer anderen Maschine unterzubringen. Dabei war ihm völlig gleichgültig, ob er Business Class oder Economy flog. Er würde auch First Class buchen oder zur Not in einem Ballon nach Deutschland zurückkehren, nur bitte nicht morgen früh. Wenigstens einen einzigen Tag wollte er gewinnen. Einen einzigen Tag mehr mit Lisa!
    »Verstehen Sie doch«, versuchte er der Angestellten der Fluggesellschaft zu erklären, »ich habe die aufregendste Frau der Welt getroffen und kenne diesen verdammten Wasserfall nicht. Ich kann unmöglich morgen nach Hause fliegen. Das sehen Sie doch ein, oder?«
    Die Frau in der Leitung zeigte Verständnis. Wenigstens eine Menschenseele, die mit mir fühlt, dachte Michael,
denn sein Vater würde ihn einen Kopf kürzer machen, sobald er von der Verlängerung seines Urlaubs erfuhr. Aber das musste er in Kauf nehmen.
    Er sank in einen der eleganten Sessel seines Hotelzimmers und dachte an Lisa. Vor seinem geistigen Auge sah er sich mit ihr am Meer entlangfahren, in einem schnittigen Cabriolet, bis zu diesem Wasserfall. Wenn das Wasser vor ihnen herabstürzte, würde er sie in die Arme schließen und sie leidenschaftlich küssen.
    Seine Umbuchung wurde bestätigt. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Das wäre also geklärt. Er legte auf und wischte sich mit der flachen Hand die Schweißperlen von der Stirn.
    Er schwitzte, obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief. Es war die Angst, die er empfand, nun, da er seinen Vater anrufen und ihm sagen musste, dass er bei dem Meeting mit Mr Ming nicht dabei sein würde.
    Erneut hob er den Telefonhörer ab. Wie spät war es jetzt eigentlich in Deutschland? Mitten in der Nacht! Sofort legte er wieder auf. Er nahm sich vor, gleich morgen früh Frau Meierhöfer anzurufen. Die würde, diplomatisch wie sie war, seinem Vater von einem Unwetter in der Karibik erzählen, aufgrund dessen alle Flüge storniert wurden, und den darauffolgenden Tobsuchtsanfall nicht allzu ernst nehmen. Dazu war sie schon viel zu lange seine Sekretärin.
    Michaels spontaner Urlaub war seinem Vater von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen. Solch einen Luxus leistete sich ein hart arbeitender Mensch nicht. Erst recht nicht einer, der Westphal hieß.

    Michael stand auf und nahm ein frisches Hemd aus dem Schrank, während er an den letzten Streit mit seinem Vater dachte. Worte wie Verantwortungslosigkeit und Disziplinlosigkeit klangen noch deutlich in seinen Ohren. Und das alles wegen eines Urlaubs, der zehn Tage dauern sollte und der erste seit drei Jahren war.
    Doch nun wollte er nicht mehr an seinen Vater und die Firma denken, er hatte Wichtigeres im Kopf. Die schöne Lisa zum Beispiel, mit ihrem zauberhaften Lächeln. Außerdem wartete sein Freund Erik an der Bar, dem er einiges zu erzählen hatte.

    Wie es anders nicht sein konnte, amüsierte sich Erik bereits mit den zwei Blondinen, die er am Abend zuvor kennengelernt hatte. Er hatte die eine rechts und die andere links im Arm, und der Champagner floss in Strömen. Getreu dem Motto, was kostet die Welt! Typisch Erik. Und genauso typisch war dieser schreckliche Schlag auf die Schulter, mit dem er jeden begrüßte, wenn er etwas getrunken hatte.
    »Da bist du ja endlich, alter Junge«, rief Erik. »Wo warst du denn nur? Du wirst schon sehnsüchtig von unseren zwei Nixen erwartet.«
    Die Mädels kicherten. Sie kamen aus Frankfurt und machten keinen Hehl daraus, dass sie auf der Suche nach gut situierten Männern waren, die Bereitschaft zum Heiraten zeigten. Zwar war Erik alles andere als heiratswillig, doch das schienen sie noch nicht erkannt zu haben.
Erik war Scheidungsanwalt, und die Ehe gab es für ihn nur, damit Anwälte daran Geld verdienten. Sich einem solchen Martyrium auszusetzen stand für ihn vollkommen außer Frage.
    »Wir dachten schon, du wärst beim Tauchen ertrunken«, hauchte eine der Blondinen, die mit den rosa angemalten Lippen, ihm
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