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Puppenmord

Titel: Puppenmord
Autoren: Tom Sharpe
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Pringsheim«, sagte die Frau mit einem Lächeln. »Wir wohnen im Rossiter Grove. Wir sind zu einem Forschungssemester in Europa. Gaskell ist Biochemiker.«
    Eva Wilt schluckte die Unterschiede und gratulierte sich zu ihrem hellen Köpfchen wegen Sally Pringsheims Bluejeans und Wolljacke. Leute, die im Rossiter Grove wohnten, standen eine ganze Stufe über denen in der Parkview Avenue, und Gatten, die Biochemiker auf Forschungssemester waren, lehrten natürlich an der Universität. Evas Welt bestand aus solchen feinen Unterscheidungen.
    »Wissen Sie, ich bin da nicht so sicher, ob ich mit einer orchestralen Rose leben könnte«, sagte Sally Pringsheim. »Im Konzertsaal find ich Symphonien okay, aber in Vasen komme ich ohne aus.«
    Eva starrte sie mit einer Mischung aus Staunen und Bewunderung an. Mavis Mottrams Blumenarrangements offen zu kritisieren, war in der Parkview Avenue glatte Gotteslästerung. »Wissen Sie, ich wollte das auch schon immer sagen«, sagte sie in einer plötzlichen Wallung von Herzenswärme, »aber ich habe mich nie getraut.«
    Sally Pringsheim lächelte. »Meiner Meinung nach sollte man immer sagen, was man denkt. Die Wahrheit ist für jede Beziehung von wirklicher Bedeutung so wesentlich. Ich sage G-Baby immer genau, was ich denke.«
    »Gee-Baby?« sagte Eva Wilt.
    »Gaskell, mein Mann«, sagte Sally. »Nicht, daß er so ein richtiger normaler Ehemann wäre. Wir haben halt vereinbart, vorläufig zusammenzuleben. Klar, wir haben 'n Trauschein und den ganzen Quark, aber meiner Meinung nach ist es in sexueller Hinsicht wichtig, sich seine Wahlmöglichkeiten offenzuhalten, nicht?«
    Als Eva nach Hause kam, hatte sich ihr Wortschatz um ein paar neue Wörter erweitert. Wilt lag im Bett und tat, als ob er schliefe, aber sie machte ihn wach und erzählte ihm von Sally Pringsheim. Wilt drehte sich auf die andere Seite, versuchte weiterzuschlafen und wünschte sich beim Himmel, sie wäre bei ihren kontrapunktischen Blumensträußen geblieben. Vorläufige freischwebende sexuelle Wahlmöglichkeiten waren gerade jetzt das Letzte, was er brauchte, und daß sie von der Frau eines Biochemikers kamen, der es sich leisten konnte, im Rossiter Grove zu wohnen, verhieß für die Zukunft nichts Gutes. Eva Wilt war von Reichtum, Geistesgaben und neuen Bekanntschaften zu leicht zu beeindrucken, als daß man ihr den Umgang mit einer Frau erlauben durfte, die meinte, die klitorale Stimulation auf orale Weise sei einfach ein Begleitumstand total emanzipierter Beziehungen, und die Gleichgeschlechtlichkeit werde sich bestimmt einbürgern. Wilt hatte schon genug Kummer mit seiner eigenen Männlichkeit, auch wenn Eva nicht verlangte, daß ihre ehelichen Rechte oral ergänzt würden. Er verbrachte eine ruhelose Nacht voller pechschwarzer Grübeleien über Unfalltodesursachen, die um Schnellzüge, unbeschrankte Bahnübergänge, ihren Ford Es-cort und Evas Sicherheitsgurt kreisten, dann stand er zeitig auf und machte sich selber das Frühstück. Er wollte gerade zum 9-Uhr-Unterrichtder Autoschlosser III losfahren, als Eva mit verträumter Miene die Treppe herunterkam.
    »Mir ist gerade was eingefallen, was ich dich gestern abend schon fragen wollte«, sagte sie. »Was heißt eigentlich »Trans-sexuelle Diversifikation«?«
    »Schwule Verse machen«, sagte Wilt schnell und ging zum Auto hinaus. Er fuhr die Parkview Avenue hinunter und blieb im Kreisverkehr in einem Stau stecken. Er saß da und fluchte leise vor sich hin. Er war vierunddreißig und hatte seine Gaben an KFZ III und eine Frau zu vergeuden, die bildungsmäßig klar unterbelichtet war. Was aber das Schlimmste war, er mußte sich eingestehen, daß Eva recht hatte mit ihrem dauernden Gemäkele, daß er kein Mann sei. »Wenn du ein richtiger Mann wärst«, sagte sie immer, »zeigtest du mehr Willensstärke. Du mußt entschieden auftreten.«
    Wilt trat in dem Kreisverkehr entschieden auf und kriegte Krach mit einem Mann in einem Minibus. Wie üblich schnitt er als Zweiter Sieger ab.
    »So wie ich das Problem mit Wilt sehe, fehlt es ihm an Schwung«, sagte der Leiter der Englischabteilung, selbst ein schwungloser Mann mit der Neigung, Probleme mit einer gewissen Doppeldeutigkeit zu betrachten und zu lösen, die seinen angeborenen Mangel an Autorität ausglich.
    Die Beförderungskommission nickte nun schon das fünfte Jahr hintereinander einstimmig mit den Köpfen.
    »Es mag ihm ja an Schwung fehlen, aber er setzt sich doch ein«, sagte Mr. Morris, der sich wieder sein
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