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Puppenmord

Titel: Puppenmord
Autoren: Tom Sharpe
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saß in seinem Sessel und nickte unaufhörlich wie ein Spielzeughund im Autorückfenster, er hob den Kopf und starrte sie an, als sie bekannte, eine Nymphomanin zu sein, und senkte ihn augenblicklich bei der Erwähnung von Harpic, und die ganze Zeit versuchte er verzweifelt dahinterzukommen, was ihm eine fette, nackte - das Leichentuch fiel ihr dauernd runter -Dame, nein, entschieden keine Dame: Frau mit allen Merkmalen religiösen Irreseins ins Haus gebracht hatte.
    »Ist das alles, mein Kind?« murmelte er, als Eva ihr Repertoire endlich erschöpft hatte.
    »Ja, Vater«, schluchzte Eva.
    »Gottseidank«, sagte Hochwürden St. John Froude aus tiefster Seele und fragte sich, was er als nächstes tun solle. Wenn die Hälfte dessen, was er gehört hatte, der Wahrheit entsprach, dann hatte er eine derart lasterhafte Sünderin vor sich, daß der Ex-Erzdiakon von Ongar daneben zu einem strahlenden Heiligen wurde. Andererseits gab es in ihren Sünden Ungereimtheiten, die ihm Bedenken machten, ihr die Absolution zu erteilen. Eine Beichte voller Lügen war kein Zeichen echter Reue.
    »Ich entnehme all dem, daß Sie verheiratet sind«, sagte er zweifelnd, »und daß Henry Ihr gesetzlich angetrauter Gatte ist?«
    »Ja«, sagte Eva. »Ach, der liebe Henry.«
    Der arme Kerl, dachte der Pfarrer, aber er war zu taktvoll, das laut zu sagen. »Und Sie haben ihn verlassen?«
    »Ja.«
    »Wegen eines anderen Mannes?«
    Eva schüttelte den Kopf. »Um ihm eine Lehre zu erteilen«, sagte sie, plötzlich wieder aufgebracht.
    »Eine Lehre?« sagte der Pfarrer und versuchte sich verzweifelt vorzustellen, was für eine Lehre der arme Mr. Wilt wohl aus ihrer Abwesenheit gezogen hatte. »Sie sagten doch, »eine Lehre«?«
    »Ja«, sagte Eva, »ich wollte ihm beweisen, daß er ohne mich nicht zurechtkäme.«
    Hochwürden St. John Froude nippte nachdenklich an seinem Drink.
    Wenn auch nur einem Viertel ihrer Beichte zu glauben war, dann mußte es ihr Mann ohne sie einfach phantastisch finden. »Und jetzt wollen Sie zu ihm zurück?«
    »Ja«, sagte Eva.
    »Aber er will Sie nicht?«
    »Er kann nicht. Die Polizei hat ihn verhaftet.«
    »Die Polizei?« sagte der Pfarrer. »Und darf man fragen, warum ihn die Polizei verhaftet hat?«
    »Sie sagen, er hat mich ermordet«, sagte Eva.
    Hochwürden St. John Froude musterte sie wieder voller Panik. Jetzt war ihm klar, daß Mrs. Wilt nicht ganz richtig im Oberstübchen war. Er sah sich nach etwas um, was er notfalls als Waffe benutzen konnte, und weil er nichts besseres fand als eine gipserne Dantebüste und die Flasche mit dem polnischen Fusel, ergriff er diese am Hals. Eva reichte ihm ihr Glas hin.
    »Oh, Sie sind schrecklich«, sagte sie, »Sie machen mich beschwipst.«
    »Ganz recht«, sagte der Pfarrer und stellte die Flasche schnell wieder hin. Allein mit einer gewaltigen, betrunkenen, halbnackten Frau zu sein, die sich einbildete, ihr Mann habe sie ermordet, und die ihm Sünden gestand, von denen er bisher nur gelesen hatte, war schon schlimm genug, ohne daß sie zu dem übereilten Schluß kam, er versuche, sie absichtlich betrunken zu machen. Hochwürden St. John Froude hatte keine Lust, in den »News of the World« vom nächsten Sonntag an prominenter Stelle zu erscheinen.
    »Sie sagten gerade, Ihr Mann habe Sie ermordet... « Er brach ab. Dieses Thema erschien ihm doch zu ungeeignet, um es weiter zu verfolgen.
    »Wie sollte er mich ermordet haben?« fragte Eva, »ich bin doch leibhaftig hier, oder?«
    »Ohne Frage«, sagte der Pfarrer, »ganz ohne Frage.«
    »Na also«, sagte Eva. »Und außerdem könnte Henry sowieso niemanden umbringen. Er wüßte gar nicht, wie. Er kann nicht mal eine Sicherung auswechseln. Diese Sachen muß ich alle im Hause machen.« Sie faßte den Pfarrer lauernd ins Auge. »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein«, sagte Hochwürden St. John Froude und machte in Gedanken drei Kreuze.
    »Was wissen Sie schon vom Leben, wenn Sie nicht verheiratet sind?« fragte Eva bissig. Der polnische Fusel fing jetzt an, bei ihr zu wirken, und das machte sie schrecklich bitter. »Ach, die Männer! Wozu sind Männer denn nütze? Sie können nicht mal ein Haus in Ordnung halten. Gucken Sie sich dies Zimmer hier an. Na, ich bitte Sie.« Sie ruderte mit den Armen herum, um ihre Worte zu unterstreichen, wobei ihr die Staubhülle herunterfiel. »Gucken Sie sich das bloß an.« Aber Hochwürden St. John Froude hatte keine Augen für das Zimmer. Was er von Eva sah, reichte aus, ihn davon zu überzeugen,
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