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Puppenmord

Titel: Puppenmord
Autoren: Tom Sharpe
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nachdenklich den Hörer wieder auf die Gabel. Den Gedanken, daß er das Haus doch wohl mit einer kürzlich ermordeten, körperlosen Frau teilte, hatte er am Telefon lieber nicht laut äußern wollen. Sein Ruf, sehr verschroben zu sein, war schon weit genug verbreitet, ohne daß dies hier noch nötig war. Was er andererseits auf dem Boot im Aalfleet gesehen hatte, trug, wenn er sich's genau überlegte, alle Merkmale eines Mordes. Vielleicht war er auf irgendeine ganz ungewöhnliche Art und Weise Zeuge einer Tragödie gewesen, die sich bereits ereignet hatte, eine Art Post-mortem-dejä-vu, falls man es so nennen konnte. Wenn natürlich der Ehemann zum Verhör von der Polizei festgehalten wurde, mußte der Mord vorher stattgefunden haben ... was bedeutete... Hochwürden St. John Froude taperte durch eine Reihe von Mutmaßungen, in denen Zeit und Ewigkeit und Hilferufe aus dem Jenseits eine große Rolle spielten. Vielleicht war es seine Pflicht, die Polizei von dem zu unterrichten, was er gesehen hatte. Wie er sich noch so unschlüssig fragte, was er wohl tun solle, hörte er wieder das Schluchzen, aber diesmal ganz deutlich. Es kam aus dem Zimmer nebenan. Er stand auf, machte sich mit einem weiteren Gläschen Whisky Mut und ging ins Nebenzimmer. Mitten im Zimmer stand eine riesige Frau mit schreckverzerrtem Gesicht, der das Haar über die Schultern herabfiel. Sie hatte etwas um, was ein Leichentuch zu sein schien. Hochwürden St. John Froude starrte sie mit wachsendem Grauen an. Dann fiel er auf die Knie. »Lasset uns beten«, murmelte er heiser.
    Die fürchterliche Erscheinung plumpste schwer zu Boden, wobei sie das Leichentuch an ihren Busen preßte. Zusammen knieten sie und beteten.
    »Nachprüfen? Verdammt nochmal, was meinen Sie mit »nachprüfen«?« sagte Inspektor Flint, der sich heftig dagegen wehrte, mitten am Nachmittag geweckt zu werden, nachdem er sechsunddreißig Stunden nicht geschlafen hatte und es nun endlich versuchte. »Sie wecken mich wegen irgend 'm verfluchten Blech über einen Pfarrer, der Sigmund Freud heißt. . .«
    »St. John Froude«, sagte Yates.
    »Ist mir schnuppe, wie er heißt. Es ist trotzdem unglaublich. Wenn der verdammte Kerl sagt, sie ist nicht da, dann ist sie's nicht. Was soll ich denn daran ändern?«
    »Ich meine nur, wir sollten vielleicht einen Streifenwagen zur Kontrolle runterschicken, das ist alles.«
    »Und warum meinen Sie . . .«
    »Es ist eindeutig von einer Frau angerufen worden, die behauptete, Mrs. Wilt zu sein, und zwar von dieser Nummer aus. Sie hat jetzt schon zweimal angerufen. Vom zweiten Anruf haben wir ein Band. Sie hat Näheres von sich erzählt, was echt Hingt. Geburtsdatum, Adresse, Wilts Beruf, sogar den richtigen Namen ihres Hundes und daß sie gelbe Vorhänge im Eßzimmer haben.«
    »Also, das kann doch jeder Idiot erzählen. Man braucht bloß an dem Haus vorbeizugehen.«
    »Und der Name des Hundes? Er heißt Clem. Ich habe das nachgeprüft, und es stimmt.«
    »Sie hat nicht zufällig gesagt, was sie in der letzten Woche gemacht hat, was?«
    »Sie sagte, sie wäre auf einem Boot gewesen«, sagte Yates. »Dann hat sie aufgelegt.«
    Inspektor Flint setzte sich im Bett auf. »Ein Boot? Was für ein Boot?«
    »Da hat sie aufgelegt. Ach, und noch was, sie sagte, sie hätte Schuhgröße Sechsundvierzig. Hat sie wirklich.«
    »O Scheiße«, sagte Flint. »In Ordnung, ich komme gleich runter.« Er stieg aus dem Bett und zog sich langsam an.
    Wilt starrte in seiner Zelle an die Decke. Nach so vielen Stunden Verhör tönte in seinem Inneren noch immer das Echo all der Fragen nach. »Wie haben Sie sie umgebracht? Wo haben Sie sie hingebracht? Was haben Sie mit der Mordwaffe gemacht?« Sinnlose Fragen, unablässig wiederholt in der Hoffnung, sie würden ihn endlich kleinkriegen. Aber Wilt hatte nicht klein beigegeben. Er war Sieger geblieben. Zum ersten Mal in seinem Leben wußte er, daß er unwiderlegbar recht hatte und alle anderen absolut unrecht. Sonst hatte er stets seine Zweifel gehabt. Die Gipser II mochten vielleicht recht haben mit ihrer Meinung, es gebe zu viele Nigger im Land. Vielleicht war der Strang ein Abschreckungsmittel. Wilt war nicht der Ansicht, aber absolut sicher sein konnte er eben auch nicht. Nur die Zeit würde es erweisen. Aber in der Sache Königin gegen Wilt, angeklagt des Mordes an Mrs. Wilt, gab es an seiner Unschuld nichts zu deuteln. Man konnte ihn anklagen, schuldig sprechen und verurteilen, es würde nichts machen. Er war unschuldig,
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