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Pünktchen und Anton

Pünktchen und Anton

Titel: Pünktchen und Anton
Autoren: Erich Kästner
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leid, sagt er, der Finanzminister schickt mich, Sie essen keinen Rhabarber.
    Gegen den Strich, Herr Piefke? Wovon sind Sie übrigens so schön braun? Ach so, Sie benützen Höhensonne. Eine halbe Stunde später kam der Minister persönlich. 

    Pünktchen tat, als ob sie Piefke rasierte 

    Wir haben uns geeinigt, ich rasiere ihn eine Woche lang umsonst, täglich zehnmal. Ja, er hat einen sehr starken Bartwuchs. Wünschen Sie Kölnisch Wasser? Ich werde nächstens verreisen. Der Zeppelin sucht für seine Nordpolfahrt einen seekranken Friseur, der soll den Eisbären die Haare schneiden. Wenn es Ihnen recht ist, bringe ich Ihnen ein Eisbärenfell mit. Puder angenehm?«
    Pünktchen schmierte dem Dackel weißen Puder über die Schnauze, und Piefke starrte entsetzt in den Spiegel. Herr Friseur Habekuß vergaß, Anton die Haare zu schneiden, und Anton schüttelte sich vor Vergnügen. Pünktchen war todernst und begann jetzt, abwechslungshalber, laut vorzulesen, was auf den Plakaten stand, die im Laden hingen. Manchmal warf sie auch die Texte durcheinander. »Benutzen Sie Dralles neue Haarfrisur, Sie erhalten in meinem Geschäft alle einschlägigen Preise zu Originalartikeln, sind Sie zufrieden, sagen Sie es den andern, hier werden Ohrlöcher gestochen, sind Sie unzufrieden, sagen Sie es mir, keine Glatze mehr, die große Mode, sonntags von acht bis zehn Uhr geöffnet, die Herrschaften werden gebeten, das Haareschneiden wochentags erledigen zu lassen, Hühneraugen werden vor dem Gebrauch desinfiziert, die Rasiermesser sind eine unnötige Plage, hüten Sie sich vor Zahnstein.« Sie las das alles in einem so langweilig singenden Ton, als ob sie ein Gedicht deklamiere. Piefke wurde ganz müde davon, gähnte, rollte sich auf dem Stuhl zusammen und machte ein Schläfchen.
    »Ist sie nicht erstklassig?« fragte Anton Herrn Habekuß.
    »Ich danke für Obst«, sagte der Friseur. »So was zwei Tage um mich 'rum, und ich sehe weiße Mäuse.«
    Dann riß er sich zusammen und klapperte mit der Schere. Er wollte rasch fertig werden, um das Mädchen aus dem Laden zu kriegen. Er hatte schwache Nerven.
    Dann kam ein Kunde, ein dicker Mann, mit einer weißen Fleischerschürze.
    »Sofort, Herr Bullrich«, sagte der Friseur. Anton blickte gespannt in den Spiegel, damit er ja nichts verpaßte. Der Fleischermeister nickte, kaum daß er sich gesetzt hatte, ein. Pünktchen stellte sich vor ihm in Positur.
    »Lieber Herr Bullrich«, sagte sie zu dem dicken Mann, »können Sie singen?« Der Fleischermeister wurde munter, drehte verlegen seine dicken roten Wurstfinger hin und her und schüttelte den Kopf.
    »Oh, wie schade«, meinte Pünktchen. »Sonst hätten wir zwei irgend etwas Schönes vierstimmig singen können. Können Sie wenigstens ein Gedicht vortragen? Wer hat dich, du schöner Wald? oder Festgemauert in der Erden?«
    Herr Bullrich schüttelte wieder den Kopf und schielte nach der Zeitung, die am Haken hing. Er traute sich aber nicht.
    »Nun die letzte Frage«, erklärte Pünktchen. »Können Sie Handstand?«
    »Nein«, sagte Herr Bullrich entschieden.
    »Nein?« fragte Pünktchen bekümmert. »Nehmen Sie's mir nicht übel, aber so etwas von Talentlosigkeit ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen!« Dann drehte sie ihm den Rücken und trat neben Anton, der in sich hineinkicherte. »So sind aber die Erwachsenen«, sagte sie zu ihrem Freund. »Wir sollen alles können, rechnen und singen und zeitig schlafen gehen und Purzelbäume, und sie selber haben von nichts 'ne blasse Ahnung. Übrigens habe ich einen wackligen Zahn, guck mal.« Sie machte den Mund weit auf und stieß mit der Zunge an dem kleinen wei-
    ßen Zahn herum, daß er nur so schaukelte.
    »Den mußt du dir ziehen«, meinte Anton. »Du nimmst einen Zwirnsfaden, machst eine Schlinge um den Zahn, bindest das andere Ende an die Türklinke, und dann rennst du von der Tür weg. Bums, ist er 'raus!«
    »Der praktische Anton«, sagte Pünktchen und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Weißen oder schwarzen?«
    »Was denn?« fragte er.
    »Zwirn«, erwiderte sie.
    »Weißen«, sagte Anton.
    »Gut, ich werde mir's mal beschlafen«, meinte Pünktchen. »Sind Sie bald fertig, Herr Habekuß?«
    »Jawohl«, antwortete der Friseur. Dann drehte er sich um und sagte zu Herrn Bullrich: »Ein schwer erziehbares Kind, wie?«
    Auf der Straße faßte Pünktchen Anton bei der Hand und fragte: »War's sehr schlimm?«
    »Na, es war allerhand«, sagte er. »Das nächste Mal nehme
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