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Psychopathen

Psychopathen

Titel: Psychopathen
Autoren: Kevin Dutton
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Einfluss auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität.
    Im Folgenden werden wir diese Eigenschaften genauer betrachten. Und erfahren, dass wir unser Leben dramatisch verändern können, wenn wir die eine oder andere von ihnen in unsere eigene psychologische Ausrüstung integrieren. Selbstverständlich liegt es mir fern, die Handlungen von Psychopathen zu glorifizieren. Das wäre ja so, als würde man ein kognitives Melanom glorifizieren, eine Art Persönlichkeitskrebs. Aber es gibt Hinweise darauf, dass ihre Eigenschaften in kleinen Dosen erstaunliche Vorzüge haben können.
    Einige davon kenne ich aus eigener Erfahrung. Die Jahre vergingen, mein Vater zog sich aus dem Handel zurück. Die Götter meinten es nicht mehr besonders gut mit ihm. Und das, obwohl er seinerseits überhaupt nicht wählerisch gewesen war. Auf der Ladefläche seines dreirädrigen Kleintransporters hatten Buddha-Figuren und gerahmte Koranverse genauso ihren Platz gefunden wie Madonnen und Herz-Jesu-Darstellungen. Er bekam Parkinson. Früher hatte er es geschafft, einen Koffer in zehn Sekunden zu packen, eine Fähigkeit, die sich oft als sehrpraktisch erwiesen hatte. In beängstigend kurzer Zeit konnte er nicht mal mehr stehen, ohne dass man ihn von beiden Seiten stützte. »Früher haben das die Bullen gemacht«, sagte er gerne.
    Aber sein größter Moment kam zweifellos nach seinem Tod. Zumindest wurde ich erst darauf aufmerksam, als er bereits gestorben war. Eines Abends, nicht lange nach der Beerdigung, sah ich seine Sachen durch. In einer Schublade stieß ich auf ein Notizbuch. Die Notizen stammten von den verschiedenen Pflegekräften, die meinen Vater in den letzten Monaten betreut hatten. Obwohl ihn so ziemlich alle davon abbringen wollten, war es meinem Dad gelungen, die letzte Zeit seines Lebens zu Hause zu verbringen. Es war eine Art Pflegetagebuch.
    Das Erste, was mir daran auffiel, war, wie gewissenhaft und sorgfältig die Einträge waren. Eindeutig von weiblicher Hand. Je mehr ich las, desto klarer wurde mir, wie wenig Abwechslung es in Vaters letzten Tagen auf Erden gegeben hatte, wie öde und monoton dieser letzte Abschnitt am Marktstand seines Lebens gewesen sein musste. Den Eindruck hat er mir natürlich nie vermittelt, wenn ich bei ihm hereinschneite. Die Parkinson-Erkrankung machte ihn zwar bewegungsunfähig, aber sein Kopf war bis zum Schluss in Ordnung.
    Aber jetzt dämmerte mir, wie es wirklich gewesen war:
    »Mr. Dutton um 7.30 aus dem Bett geholt.«
    »Mr. Dutton rasiert.«
    »Mr. Dutton ein Gurkensandwich gemacht.«
    »Mr. Dutton eine Tasse Tee gemacht.«
    Und so weiter und so fort. Ad infinitum.
    Bald wurde mir langweilig und ich begann querzulesen. Da stach mir plötzlich etwas ins Auge. Auf einem Blatt stand in zittrigen krummen Großbuchstaben: »MR. DUTTON HAT IM FLUR RAD GESCHLAGEN.« Und ein paar Seiten später: »MR. DUTTON HAT AUF DEM BALKON EINE STRIP-SHOW HINGELEGT.«
    Irgendetwas sagte mir, da hat er wohl gelogen. Typisch für ihn. Schließlich hatte er es das ganze Leben so gehalten.
    Aber die Spielregeln hatten sich geändert. Und hinter diesem Quatsch ließ sich eine höhere Wahrheit erkennen. Die Geschichte eines Mannes, dessen Seele unter Beschuss stand, dessen Schaltkreise und Synapsen hoffnungslos und gnadenlos geschlagen waren. Der aber dennoch bis zum Schluss kämpfte, mit unbändiger Respektlosigkeit gegenüber allem und jedem.
    Radschlagen und Strip-Shows waren allemal besser als Rasuren und Gurkensandwiches. Was machte es schon, wenn das alles nur Unsinn war?

1 Stich der Skorpione
    Groß und gut sind selten dasselbe.
    Winston Churchill
    Ein Skorpion und ein Frosch sitzen am Ufer eines reißenden Flusses. Beide müssen hinüber auf die andere Seite.
    »Hallo, Herr Frosch!«, ruft der Skorpion durch das Schilf. »Wären Sie so nett, mich auf Ihrem Rücken über das Wasser zu bringen? Ich habe auf der anderen Seite wichtige Geschäfte zu führen. Und ich kann bei so starker Strömung nicht schwimmen.«
    Der Frosch wird sofort misstrauisch.
    »Herr Skorpion«, erwidert er. »Ich verstehe, dass Sie auf der anderen Seite des Flusses wichtige Geschäfte tätigen wollen. Aber denken Sie mal einen Moment lang über Ihre Bitte nach. Sie sind ein Skorpion. Sie haben einen großen Giftstachel an Ihrem Schwanzende. Sobald ich Sie auf meinen Rücken lasse, werden Sie mich stechen. Sie können gar nicht anders.«
    Der Skorpion hat schon mit solchen Einwänden des Frosches gerechnet. Er antwortet:
    »Mein lieber
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