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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Autoren: Ken Scholes
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lassen und gut für dich sorgen.« Jin Li Tam griff mit ihrer Hand über den Tisch und legte sie auf die des Jungen. »Wenn er glaubt, dass du es nicht erzählen kannst oder wirst, wird er dich fallen lassen. Ob lebend oder tot, weiß ich nicht, aber er ist kein freundlicher Mann.« Sie drückte ihm die Hand. »Er ist ein gefährlicher Mann.«
    Sie erhob sich und pfiff nach einem Diener.
    Eine stämmige Frau erschien im Eingang des Zeltes. »Ja, meine Dame?«
    »Einen Gast sollte man nicht in seinem eigenen Dreck an den Tisch setzen. Wascht diesen Jungen, und sucht ihm frische Kleider.«
    »Ich habe ihm Badewasser angeboten, meine Dame, aber er wollte es nicht.«
    Jin Li Tam ließ zu, dass der Ärger ihrer Stimme Schärfe verlieh. »Ihr habt doch bestimmt Kinder?«
    »Ja, meine Dame. Drei.«
    Sie musste sich zwingen, wieder sanfter zu sprechen. »Dann wisst Ihr, wie man ein Kind badet.«
    »Das weiß ich, meine Dame.«
    Jin Li Tam nickte knapp. »Dieser Junge hat mehr Finsternis und Verzweiflung zu Gesicht bekommen als jeder andere seit dem Zeitalter des Lachenden Wahnsinns. Seid gut zu ihm, und betet, dass Ihr niemals sehen müsst, was er gesehen hat.«
    Dann verließ Jin Li Tam das Zelt in dem Wissen, dass sie nicht mehr länger warten konnte. In den letzten beiden Tagen hatte sie es aufgeschoben, weil sie nicht sicher gewesen war, welche Vorgehensweise sich am besten eignete. Aber nun wusste sie, dass es keine Alternative mehr war, noch länger zu bleiben. Über das Lager verteilt fanden sich ganze Hühnerställe voller Nachrichtenvögel. Sie musste einen Vogel finden, den mindestens einen Tag lang niemand vermissen würde. Sie würde eine einfache Botschaft mit dem schwarzen Garn, das für Gefahr stand, an seinem Bein befestigen und ihn in den Himmel schleudern:
    Windwir ist zerstört. Sethbert hat uns alle verraten.
    Und danach würde sie mit einem Beutel voller Magifizienten unter ihrem Kissen schlafen, bereit, auf ein Wort hin zu fliehen.
    Rudolfo
    Rudolfos Zigeunerspäher fanden den Metallmann, wie er inmitten eines Einschlagkraters tief im wabernden Rauch der glühenden Ruinen Windwirs schluchzte. Er kauerte über einem Haufen verkohlter Knochen, seine Schultern zitterten, und seine Blasebälge pfiffen, der helmartige Kopf bebte zwischen seinen großen Metallhänden. Leise näherten sie sich ihm, Geister in einer Geisterstadt, aber der Metallmann hörte sie trotzdem und blickte auf.
    Dampfstöße schossen aus seinem Entlüftungsrost. Kochendes Wasser sickerte aus seinen glänzenden Juwelenaugen. In der Nähe lag ein verstümmeltes Metallbein.
    »Tetöteg ella eis ebah hci«, sagte der Metallmann.
    Die Zigeunerspäher trugen ihn zu Rudolfo, weil er nicht selbst gehen konnte und sich auch nicht stützen ließ. Außerhalb der Ruinen beobachtete Rudolfo von seinen Zelten aus ihre Rückkehr, ganz wie der Nachrichtenvogel es angekündigt hatte.
    Sie schleppten den Metallmann auf die Lichtung und ließen ihn los, ließen auch das Bein fallen. Die leuchtenden Farben ihrer Röcke, Umhänge und Hosen waren grau von Asche und schwarz von Kohle. Der Metallmann glänzte in der nachmittäglichen Sonne.
    Sie verbeugten sich und warteten darauf, dass Rudolfo etwas sagte. »Dann ist das alles, was von der großen Stadt Windwir übrig geblieben ist?«
    Wie ein Mann nickten sie alle. Ein langsames, gemessenes Nicken.
    »Und die Bibliothek der Androfranziner?«
    Einer der Zigeunerspäher trat vor. »Asche, Herr.« Rasch trat er wieder zurück, den Kopf gebeugt.
    Rudolfo wandte sich an den Metallmann. »Und was haben wir hier?« Er hatte schon Automaten gesehen. Allerdings nur kleine, keine, die so ausgeklügelt waren wie Menschen. »Kannst du sprechen?«
    »Nehcerps tug rhes nnak hci«, sagte der Metallmann.
    Rudolfo wandte sich abermals an seine Zigeunerspäher. Derselbe, der schon zuvor gesprochen hatte, blickte auf. »Seit wir ihn gefunden haben, hat er immerzu geredet, Herr. In einer Sprache, die wir noch nie gehört haben.«
    Rudolfo lächelte. »Eigentlich doch.« Er wandte sich wieder an den Metallmann. »Sträwkcür hcirps«, befahl er ihm.
    Ein Knall, ein dumpfer Schlag, eine Dampfwolke. Der Metallmann sah zu Rudolfo auf, zum rauchgeschwängerten Himmel und dem geschwärzten Horizont, wo einst die größte Stadt der Welt gewesen war. Er schüttelte sich und erschauerte. Als er sprach, war seine Stimme von einer so tiefen Klage erfüllt, wie sie Rudolfo nur zweimal zuvor vernommen hatte. »Was habe ich getan?«, fragte
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