Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Autoren: Ken Scholes
Vom Netzwerk:
aufgerissen in die Irre. Natürlich hatte ihn Sethbert, gleich als ihm klar geworden war, dass er nicht sprechen konnte, in die Obhut eines seiner Sklaven entlassen. Sein einziges Interesse an dem Jungen bestand darin, aus erster Hand etwas über sein Werk zu erfahren.
    Davon wurde Jin übel.
    Jetzt, da der Tag sich seinem Ende zuneigte, stand sie in den Schatten und beobachtete, wie die Späher zurückkehrten und ihre Netze hinter sich herzogen wie stolze Fischer. Ihre Magifizienten waren ausgebrannt, und sie konnte sie nun deutlich erkennen – ihre dunklen Seidenkleider grau von Asche, ihre Gesichter und Hände mit Ruß bedeckt. Metall zuckte und glitzerte in den Netzen, die sie schleppten.
    Insgesamt zählte sie dreizehn Metallmänner. Der Androfranzinerlehrling war an ihrer Seite, ging neben ihnen in die Hocke, stocherte nach ihnen und stieß sie durch das Netzgeflecht hindurch an. »Es fehlt einer«, sagte er.
    »Er ist dort unten und brabbelt vor sich hin«, teilte ihm der Späher mit. »Weit wird er nicht kommen; ich habe ihm ein Bein abgenommen. Wir gehen zurück und holen ihn, sobald wir diese Bande hier losgeworden sind.«
    »Wenn ihn nicht die Zigeuner vorher bekommen«, sagte ihr Hauptmann, der gerade mit gerunzelter Stirn aus Sethberts Zelt kam. »Sie sind inzwischen in der Stadt. Magifiziert euch noch einmal und beschattet sie.«
    »Und wenn sie uns entdecken?«
    »Wir befinden uns nicht im Krieg mit ihnen.« Er hielt inne und warf einen besorgten Blick zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. »Zumindest noch nicht.«
    Der Lehrling befreite einen der Metallmänner aus dem Netz. Der Mechoservitor klickte und ließ Dampf aus seinem Entlüftungsrost schießen, seine gläsernen Augen flatterten, gingen auf und schlossen sich wieder. »Bist du funktionstüchtig?«, fragte der Lehrling.
    »Ich bin funktionstüchtig«, sagte der Metallmann.
    Der Lehrling deutete auf ein nahe gelegenes Zelt. »Geh in dieses Zelt, und warte dort. Sprich mit niemandem außer mir. Hast du das verstanden?«
    »Ich habe verstanden.« Der Mechoservitor, der groß und schlank in der Sonne glänzte, obwohl er mit Kratzern, Beulen und Schmutz überzogen war, ging zu dem Zelt.
    Der Lehrling wandte sich dem nächsten zu, und Jin Li Tam entfernte sich.
     
    Sie fand den Jungen in den Zelten der Dienerschaft. Er saß still an einem Tisch, während ein Teller mit Essen vor ihm kalt wurde. Er war noch immer in den schmutzigen Talar gekleidet, in dem man ihn aufgegriffen hatte, noch immer mit Dreck und Asche bedeckt.
    Jin setzte sich ihm gegenüber hin, und er blickte zu ihr auf.
    »Du solltest etwas essen«, erklärte sie ihm. »Wie lange ist es her, dass du etwas gegessen hast?«
    Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber gleich wieder. Er schüttelte den Kopf, seine Augen füllten sich mit Tränen.
    Jin beugte sich nach vorn. »Kannst du mich verstehen?«
    Er nickte.
    »Ich kann mir vorstellen, was du gesehen hast«, sagte sie. Natürlich konnte sie sich das vorstellen. In der letzten Nacht waren ihre Träume davon übergequollen – nachdem sie nur einen kleinen Blick auf die verwüsteten Überreste von Windwir geworfen hatte. In diesen Alpträumen lachte Sethbert vor Freude, während tote Hexer in den Straßen der wimmelnden Stadt umgingen und den Tod herabriefen – Tod durch Feuer, Tod durch Blitze, Tod durch Seuchen. Und noch ein Dutzend Tode mehr, die auf die Stadt der schreienden Unschuldigen herabregneten, bis sie schweißgebadet erwachte.
    Sie erinnerte sich an die Geschichten über das Zeitalter des Lachenden Wahnsinns, einer Zeit solcher Verheerung, dass die Wenigen, die es überlebten, allesamt dem Wahnsinn verfallen waren. Jetzt fragte sich Jin Li Tam, ob den Jungen womöglich ein ähnliches Schicksal getroffen hatte.
    Aber sein Blick war nicht der eines Wahnsinnigen. Ja, seine Augen waren voller Schmerz und Verzweiflung. Aber nicht wahnsinnig. Dieser Tage kannte sie diesen Ausdruck nur allzu gut.
    Jin Li Tam blickte sich im Zelt um, um sicherzugehen, dass niemand zuhörte. »Sethbert will, dass du ihm erzählst, was du gesehen hast«, sagte sie mit leiser Stimme. »Er will hören, wie Windwir untergegangen ist, aber er verfolgt damit kein edles Ziel. Verstehst du mich?«
    Das Gesicht des Jungen zeigte, dass er sie nicht verstanden hatte, aber er nickte trotzdem.
    »Es ist deine Geschichte, die ihn interessiert, nicht du. So lange er glaubt, dass du sie ihm erzählen wirst, wird er dich am Leben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher