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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ihr Glück – mein Unglück. So ist das Leben!«
    »Ihr Nervenspray ist ein verdammter Trick!«
    »Aber wirksam und vor allem ungefährlich. Keine gefährlichen Nachwirkungen, nur einen Tag lang ein wenig Kopfschmerzen. Das Gas ist im letzten Jahr ungeheuer verfeinert worden.«
    »Warum versuchen Sie jetzt nicht zu flüchten, Carducci?«
    »Dabrowski, draußen vor der Tür stehen doch sicher französische Polizisten …«
    »Sie könnten mich als Geisel nehmen und freies Geleit erpressen.«
    »Wohin? Tahiti ist eine Insel in der Südsee. Wie sollte ich da wegkommen? Und wo immer ich hinkäme: Überall wartet Polizei auf mich.« Er erhob sich von seinem Bett und zog die Jacke seines Seidenanzugs gerade. »Man muß wissen, wann es zu Ende ist. Ich gratuliere Ihnen nochmals, Dabrowski. Sie sind besser als die Interpol.«
    »Nein. Ich hatte nur, wie gesagt, Glück. Ein Besoffener, der herumschlich, um an den Türen zu horchen – der hat Sie gesehen.« Dabrowski lachte befreit. »Das ist alles, Carducci. Das Leben schreibt die unmöglichsten Pointen.« Er stand auf. »Gehen wir?«
    »Kann es diskret geschehen?«
    »Niemand wird etwas merken.«
    »Keine Fesseln?«
    »Nein.«
    »Ich danke Ihnen, Dabrowski.« Carducci blickte sich noch einmal in seiner Kabine um. Er nahm Abschied von dem eleganten Arturo Tatarani, Weinhändler aus Piemont. Dann öffnete er die Tür und wurde von zwei Herren der Polizei von Papeete in Empfang genommen.
    Herbert Fehringer konnte nur ahnen, wie entsetzlich sein Bruder Hans ums Leben gekommen war. Dem Nervenzusammenbruch und Tobsuchtsanfall von de Jongh hatte er zunächst fassungs- und ahnungslos gegenübergestanden. Die unartikulierten Schreie und die darin enthaltenen wenigen verständlichen Worte hatte er aus einer Entfernung miterlebt, aus der er das »Er ist doch tot! Er ist doch tot!« nicht verstehen konnte. Er hatte sein Dinner etwas nervös beendet und immer wieder daran gedacht, was er auf der Toilette gehört hatte – nämlich, daß sich de Jongh mit Hans auf dem Promenadendeck treffen wollte für nicht länger als zehn Minuten. Der spätere Ausbruch de Jonghs war ihm ein Rätsel.
    In der Kabine, in die er sofort nach dem Essen zurücklief, war Hans nicht. Es sah auch nicht so aus, als sei er noch mal dagewesen und wieder weggegangen. Solch einen Bruch ihrer Abmachungen, der zu den größten Schwierigkeiten führen konnte, hatte Hans sich noch nie geleistet.
    Herbert setzte sich ans Fenster, wartete auf Hans und wurde immer unruhiger. Nach einer halben Stunde beschloß er, zu Sylvia zu gehen. Es war fast sicher, daß man de Jongh im Hospital behalten hatte. Für den Fall, daß er doch zur Kabine zurückgebracht worden war, konnte man immer noch sagen, man habe sich nach seinem Befinden erkundigen wollen …
    Die Kabine 147 war aber leer. Herbert Fehringers Unruhe stieg noch mehr. Auch hier keine Spur seines Bruders. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Sylvia stürzte herein. Herbert breitete die Arme aus und fing sie auf.
    »O Liebling! Liebling!« rief sie und begann zu weinen. »Es ist so schrecklich, mein Mann hat den Verstand verloren. Er hat immer geschrien: ›Ich habe ihn doch über Bord geworfen! Er ist tot! Er ist ersoffen!‹ Und damit meinte er dich. Dann sah er dich im Restaurant sitzen und drehte durch. Ich glaube, er wollte dich töten …«
    Herbert Fehringer legte sein Gesicht auf Sylvias Schulter, schloß die Augen und fühlte, wie alle Kraft aus seinem Körper floß. Er hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben, und klammerte sich an Sylvia fest. Sie deutete es als Zärtlichkeit, streichelte seinen Nacken und küßte seinen Hals. Knut de Jongh hat Hans über Bord geworfen, dachte er. Das war ihm auf einmal klar. Es gibt keinen Hans Fehringer mehr, und keiner wird dasein, der ihn vermissen wird. Nur ich allein weiß, was wirklich geschah. Im Pazifik ertrunken. Von einem rasenden Ehemann über Bord geworfen, der jetzt wahnsinnig geworden ist, weil er bei seiner Rückkehr ins Restaurant den Toten am Tisch sitzen sah. Und ich muß schweigen, muß das hinnehmen und in mir vergraben, denn offiziell gibt es ja nur einen Fehringer an Bord, und ich bin von jetzt an der einzige Fehringer bis an mein Lebensende. Er löste sich aus Sylvias Armen, schwankte zur Polsterbank und sank auf sie nieder. Sie setzte sich auf das Bett gegenüber und starrte auf den Teppichboden. In Fehringer stieg ein Schluchzen hoch, aber er biß die Zähne zusammen und unterdrückte es mit
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