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Projekt Sakkara

Titel: Projekt Sakkara
Autoren: Andreas Wilhelm
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Türkei, Israel, Ägypten, Saudi-Arabien, Iran, Irak ... «
    Melissa las Peter die Worte förmlich von den Lippen ab.
    »Es ist schließlich so«, fuhr Peter fort, »jeden Tag entscheidet sich das Schicksal der Menschheit neu. Wir sehen stets nur die großen Scheidewege, an denen wir vorbeigegangen sind. Was wäre, wenn eines der Attentate auf Hitler erfolgreich gewesen wäre? Wäre der Welt dann nicht unendliches Leid erspart geblieben? Diese Gedanken sind uns allen vertraut. Aber tatsächlich formt auch jedes andere noch so kleine Geschehnis den Werdegang der Welt. Und ob es zum Guten oder zum Schlechten war oder sein wird, ist völlig unmöglich zu bestimmen. Tatsächlich könnte man sagen: Es ist weder zum Guten noch zum Schlechten, denn die Geschehnisse sind nicht in sich selbst gut oder böse, sondern es sind die Menschen, wie sie darauf reagieren und was sie daraus machen.«
    »Peter, ich glaube, mit Ihrer Interpretation der Chaostheorie langweilen Sie unseren Gast«, sagte Patrick.
    »O nein, ganz sicher nicht«, erklärte Melissa. »Ich finde es äußerst interessant. Ehrlich!« Dann stupste sie Patrick an die Schulter. »Also wirklich, wie können Sie so was sagen?« Dabei lächelte sie.
    »Ich habe wohl wieder von mir auf andere geschlossen.«
    Melissa sah den Franzosen an, einen Augenblick zu lang, um desinteressiert zu sein, wie Patrick fand. »Soll das etwas über Sie sagen oder über mich?«, fragte sie.
    »Suchen Sie es sich aus«, antwortete Patrick. »Zigarette?«
    »Ich rauche normalerweise nicht.«
    »Vielleicht fehlen Ihnen die außergewöhnlichen Gelegenheiten?«
    Sie betrachtete ihn eindringlich, unschlüssig, was sie erwidern sollte, und errötete erneut. Dann lächelte sie leicht verschmitzt, schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem Professor zu. »Was war das für ein Projekt, von dem Sie eben gesprochen haben? Womit Sie zuletzt beschäftigt waren?«
    »Eine Untersuchung in Südfrankreich. Leider ohne greifbare Ergebnisse, und nichts, was sich hinterher verarbeiten ließ.«
    »Das tut mir leid. Und jetzt? Sind Sie wieder an einem neuen Projekt?«
    »Nein. Das heißt, ja, vielleicht. Aber es ist noch nicht sicher.«
    »Auch wieder in Südfrankreich?«
    »Nein, möglicherweise in Ägypten.«
    »Ägypten? Das ist ja toll! Tatsächlich? Wissen Sie, ich arbeite nämlich in Kairo. Sie müssen mich unbedingt besuchen, dann zeige ich Ihnen die Stadt ... «
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ... «
    »Ramadan hat gerade begonnen, das ist ein Erlebnis! Und ich kann Ihnen auch Zutritt zu einigen besonderen Friedhöfen verschaffen, das interessiert Sie doch sicherlich auch. Und dann natürlich das Museum, wo ich arbeite.«
    »Sie arbeiten an einem Museum?« Peter horchte auf.
    »Am Ägyptischen Museum in Kairo. Waren Sie schon einmal dort?«
    »Nein, leider nicht. Aber vielleicht ergibt es sich ja ... «
    »Da kommt noch ein Fan«, unterbrach Patrick das Gespräch und deutete mit seiner Zigarette zur Seite. Ein alter Herr, gebeugt und auf einen Gehstock gestützt, kam auf sie zu. Er war in einen vornehmen Anzug gekleidet, ein Seidenschal lag über den Schultern seines Jacketts.
    »Dann möchte ich Sie nicht länger aufhalten«, erklärte Melissa. »Besuchen Sie das Museum, und fragen Sie nach mir, ich würde mich sehr freuen! Ich bin ab Montag wieder dort. Auf Wiedersehen!«
    Patrick nickte ihr hinterher, doch Peters Aufmerksamkeit war bereits auf den Neuankömmling gerichtet. Der Aufzug und die Zielstrebigkeit des Alten ließen ahnen, dass er nicht zufällig auf sie zukam.
    Der Mann sprach mit kratziger Stimme und ausgeprägtem britischen Akzent. »Professor Lavell? Monsieur Nevreux? Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Er reichte beiden die Hand. »Mein Name ist Oliver Guardner. Ich hatte Sie zu diesem Abend eingeladen.«
    Peter schüttelte ihm behutsam die Hand. »Die Freude ist ganz meinerseits.«
    »Guten Abend«, sagte Patrick, als er an der Reihe war, die dürre Hand vorsichtig zu schütteln, und den Alten taxierte. Das Gesicht war sonnengegerbt, eingefallen und von Falten übersät. Trotzdem strahlte ein jugendlicher Scharfsinn aus ihm.
    »Sie brauchen gar nicht so zimperlich mit mir umzugehen«, erklärte Guardner. »Ich kann zwar keine Löwen mehr erwürgen, aber meine Hand wird schon nicht auseinanderbrechen. Sie haben einen jüngeren Mann erwartet, nicht wahr?«
    »Nun ... «, hob Peter an.
    »Ich für meinen Teil wusste nicht, dass man überhaupt so alt werden
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