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Profit

Profit

Titel: Profit
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Haben Sie Kinder?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Tja, ich kann nur sagen, warten Sie nicht zu lange damit.« Bryant klappte die Brieftasche wieder zu, als die Fahrstuhltür aufging, und sie fuhren kameradschaftlich schweigend nach oben. Der Fahrstuhl rief jedes einzelne Stockwerk aus und gab ihnen im Plauderton einen kurzen Überblick über Shorns aktuelle Entwicklungsprojekte. Mehr, um die ernsthafte synthetische Stimme auszublenden, als dass es ihm ein wirkliches Anliegen gewesen wäre, nahm Chris nach einer Weile die Unterhaltung wieder auf.
    »Werden hier eigene Kampfkurse angeboten?«
    »Was – Mann gegen Mann?« Bryant grinste. »Sehen Sie sich diese Zahl an, Chris. Einundvierzig. Hier oben werden die Beförderungen nicht mehr Mann gegen Mann ausgefochten. Louise Hewitt würde das als den Höhepunkt des schlechten Geschmacks ansehen.«
    Chris zuckte die Achseln. »Ja, aber man weiß nie. Hat mir mal das Leben gerettet.«
    »He, war doch nur Spaß.« Bryant klopfte ihm auf den Arm. »Es gibt ein paar firmeneigene Lehrer unten im Gym, sicher doch. Shotokan und Taekwondo, glaube ich. Ich mach selber manchmal ein bisschen Shotokan, einfach um in Form zu bleiben, und außerdem weiß man nie, wann es einen mal wieder in die Sperrzone verschlägt.« Er zwinkerte. »Sie verstehen? Aber trotzdem, wie einer meiner Lehrer sagt: Eine Kampfsportart zu betreiben lehrt einen nicht zu kämpfen. Wenn man das lernen will, dann muss man auf die Straße gehen und sich prügeln. Das bringt viel mehr.« Grinsen. »Hab ich mir jedenfalls sagen lassen.«
    Der Fahrstuhl hielt mit einem Ruck. »Dreiundfünfzigster Stock«, verkündete er fröhlich. »Conflict-Investment-Abteilung. Denken Sie bitte daran, dass Sie eine Code-sieben-Befugnis für diese Ebene benötigen. Einen schönen Tag noch.«
    Sie traten hinaus in ein kleines Vorzimmer, wo ein adretter Sicherheitsmann Bryant grüßend zunickte und Chris bat, sich auszuweisen. Chris suchte den Strichcodeabschnitt hervor, den man ihm unten am Empfang ausgehändigt hatte, und wartete, während dieser gescannt wurde.
    »Chris, hören Sie, ich hab’s ein bisschen eilig.« Bryant deutete auf den Flur zur Rechten. »Irgendein schmieriger kleiner Diktator will um zehn seinen Staatshaushalt überprüfen lassen, und ich versuch immer noch, mich an den Namen seines Verteidigungsministers zu erinnern. Sie kennen das ja. Ich seh Sie beim Quartalsrückblick am Freitag. Meistens gehen wir hinterher noch aus.«
    »Klar. Bis dann.«
    Chris sah ihm mit demonstrativer Beiläufigkeit nach. Dahinter verbarg sich die gleiche Vorsicht, mit der er am Morgen dem No-Name-Herausforderer begegnet war. Bryant machte zwar einen ganz netten Eindruck, aber das tat unter den entsprechenden Umständen eigentlich jeder. Sogar mit Carlas Vater konnte man sich manchmal ganz vernünftig unterhalten. Aber wer sich das Blut von den Händen wusch wie Mike Bryant, den wollte man lieber im Auge behalten.
    Der Sicherheitsbeauftragte gab ihm seinen Ausweis zurück und zeigte auf die Doppeltür gleich vor ihm.
    »Konferenzraum«, sagte er. »Sie werden bereits erwartet.«
     
    Als Chris das letzte Mal einem Seniorpartner persönlich gegenübergestanden hatte, geschah dies anlässlich seiner Kündigung bei Hammett McColl. Vincent McColl hatte ein Büro mit hohen Fenstern, in dunklem Holz getäfelt, und eine der Wände war von Büchern gesäumt, die hundert Jahre alt aussahen. An den anderen Wänden hingen Porträtbilder ruhmreicher Partner aus der achtzigjährigen Geschichte der Firma, und auf dem Schreibtisch stand ein gerahmtes Foto seines Vaters, wie er Margaret Thatcher die Hand schüttelt. Der Fußboden war aus gewachstem Holz, bedeckt mit einem zweihundert Jahre alten türkischen Teppich. McColl selbst hatte silbergraue Haare, hüllte seinen schmalen Körper in Anzüge, die seit einer Generation aus der Mode waren, und weigerte sich, ein Videofon in seinem Büro zu haben. Das ganze Zimmer war eine einzige Gedenkstätte der geheiligten Traditionen, ein durchaus seltsamer Umstand bei einem Mann, der in erster Linie für den Geschäftsbereich Emerging Markets, also Schwellenländer, zuständig war.
    Jack Notley, Shorn Associates’ übergeordneter Seniorpartner für den Bereich Conflict Investment, hätte McColl selbst dann kaum unähnlicher sein können, wenn er ein Besucher aus irgendeinem Paralleluniversum gewesen wäre. Er war ein bulliger, Macht ausstrahlender Mann mit kurzen, gar nicht mal besonders gut geschnittenen
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