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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver
Autoren: Raymond Chandler
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drücken. Wird mir nicht leicht fallen.« Sein Blick ging hinüber zur Tür in die Diele. »Am besten, ich telefoniere oben. Zeit genug, um wieder herunterzukommen.«
    Er stieß einen langen Seufzer aus und machte sich an die Arbeit. Aber als es dann so weit war, Porter Green die Pistole in die Hand zu drücken, mußte er feststellen, daß er Porter Greens Gesicht nicht ansehen konnte. Er hatte das Gefühl, ja die Gewißheit, daß Porter Greens Augen offen waren und ihn anstarrten, aber er konnte dem Blick nicht begegnen, obwohl es der Blick eines Toten war. Er fühlte, daß Porter Green ihm vergeben würde und es ihm gar nichts ausgemacht hatte, daß er ihn erschossen hatte. Es war schnell gegangen und war weniger unangenehm gewesen als das, was von seiten der Justiz auf ihn zugekommen wäre.
    Das war es nicht, weshalb er sich schämte. Und er schämte sich auch nicht, daß Porter Green ihm Gladys weggenommen hatte, weil es albern gewesen wäre. Porter Green hatte nichts anderes getan, als etwas, das schon vor Jahren getan worden war. Vielleicht waren es die häßlichen blutigen Kratzer, über die er sich schämte. Vorher hatte Porter Green zumindest wie ein Mann ausgesehen. Irgendwie zeichneten ihn die Kratzwunden als einen verdammten Trottel. Auch im Tode. Ein Mann, der wie Porter Green aussah und handelte, der so weit herumgekommen war wie er, der zu viele Frauen zu gut gekannt hatte und was es sonst noch alles gab, ein Mann wie er hätte darüber erhaben sein müssen, sich in eine Rauferei einzulassen mit einem Flittchen wie Gladys, einer ausgehöhlten Schale von einer Frau, die keinem Mann mehr etwas hatte geben können, noch nicht einmal sich selbst.
    Joe Pettigrew hatte keine sehr hohe Meinung von sich als überlegenes männliches Wesen. Aber das Gesicht hatte er sich wenigstens nie zerkratzen lassen.
    Geschickt drückte er die Waffe in Porter Greens Hand, ohne auch nur einmal in sein Gesicht zu sehen. Vielleicht etwas zu geschickt. Mit derselben Sorgfalt und ohne ungebührliche Hast arrangierte er alles weitere, was arrangiert werden mußte.

6
     
     
    Der grün-weiß lackierte Funkstreifenwagen bog um die Ecke und fuhr die Straße entlang. Es war nichts Eiliges oder Hektisches an dem Vorgang festzustellen. Fast lautlos hielt er vor dem Haus an, und eine Weile lang blickten die beiden uniformierten Beamten ruhig zu der geräumigen Veranda und den geschlossenen Türen und Fenstern hinauf, ohne ein Wort zu sagen, den ständigen Strom von Durchsagen aus dem Lautsprecher des Funkgeräts im Ohr, deren Mitteilungen sie in Gedanken verarbeiteten und sortierten, ohne ihnen bewußte Aufmerksamkeit zu schenken.
    Dann sagte der dem Gehsteig am nächsten Sitzende: »Ich höre niemand schreien und sehe keine Nachbarn vor dem Haus. Sieht aus, als hätte jemand eine Platzpatrone abgefeuert.«
    Der Polizist hinter dem Lenkrad nickte und sagte ohne besonderes Interesse: »Läute trotzdem mal.« Er trug die Zeit in das Berichtsformular ein und gab der Zentrale über Funk durch, daß der Wagen vorübergehend für andere Einsätze nicht verfügbar war. Sein Kollege stieg aus und ging auf dem betonierten Weg auf das Haus zu und hinauf auf die Veranda. Er drückte auf den Klingelknopf. Er konnte hören, wie es drinnen im Haus klingelte. Er hörte auch ein Radio oder einen Plattenspieler spielen, nicht laut, aber doch deutlich genug, ein Geräusch, das von links kam, aus dem Erdgeschoßzimmer mit den geschlossenen Fenstern. Wieder läutete er. Nichts passierte. Er ging ein Stück auf der Veranda entlang und klopfte gegen die Fensterscheibe oberhalb des Insektengitters vor der unteren Hälfte. Er klopfte lauter. Die Musik spielte weiter, sonst rührte sich nichts. Er verließ die Veranda und ging um das Haus herum zur Hintertür. Die Insektengittertür war festgehakt, die Tür dahinter geschlossen. Auch hier gab es eine Klingel. Er läutete. Das Summen ertönte ganz in der Nähe laut, aber es kam niemand. Er hämmerte mit den Fäusten gegen die Insektengittertür und riß daran. Der Haken glitt nicht aus der Öse. Er setzte seinen Rundgang um das Haus fort. Die Fenster der Nordseite lagen zu hoch über dem Boden, als daß man hätte hineinsehen können. Er erreichte den Vorgarten und ging quer über den Rasen zum Wagen. Der Rasen war gepflegt und am Abend vorher gesprengt worden. Einmal blickte er sich um, um nachzusehen, ob seine Schuhe Spuren darauf hinterlassen hatten. Es gab keine. Das beruhigte ihn. Er war ein junger Polizist
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