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PRIM: Netzpiraten (German Edition)

PRIM: Netzpiraten (German Edition)

Titel: PRIM: Netzpiraten (German Edition)
Autoren: Dietrich Enss
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gegenläufig bewegte. Taylor konnte nun etwa dreihundert Meter des Ufers rechts und links von der Hütte einsehen. Fast überall stand Schilf. Ein Paradies für Wasservögel. „Berge sind im Weg. Für den Funk. Für mich einen Mann bauen die hier keinen Mast hin. Ich soll mir so ein Salle… so ein Telefon für ein Satellit kaufen, haben die mir gesagt.“
    Taylor fluchte leise. Sie hätten sich denken können, dass Ingram wegen einer fehlenden Netzabdeckung nicht zu erreichen war, und ein Satellitentelefon mitnehmen können. Er rief nach Zanolla, der nicht zu sehen war.
    „Nichts soweit!“, antwortete der kaum vernehmbar etwas weiter rechts von der Hütte entfernt, als Taylor erwartet hatte. Gleich darauf viel lauter: „Warte einen Moment! Ich sehe das Boot, glaube ich.“
    Der Alte war bereits dabei, den Kahn auszurichten und zu der Stelle am Ufer zu rudern, an der Zanolla sein musste. Kurz vor Erreichen des Schilfgürtels konnte Taylor das Boot erkennen, dann auch Zanolla. Er dirigierte den Alten durch das Schilf. Als sie das Ufer erreichten, fanden sie Zanolla mit hochgekrempelten Hosenbeinen über die Leiche Walter Ingrams gebeugt. Sie lag auf dem Rücken neben dem Boot im seichten Wasser in nur etwa zwanzig Zentimetern Tiefe.
    Sie konnten keine Spuren eines gewaltsamen Todes sehen. Kein sichtbares Blut im Wasser. Ingrams Augen waren offen und ausdruckslos. Die Hornhäute zeigten noch keine Anzeichen einer Trübung. Zanolla richtete sich auf und holte ein paar Latexhandschuhe aus einer Schatulle an seinem Gürtel. Er zog sie über und beugte sich dann wieder hinab zu dem Toten und schob die Lider über Ingrams Augen. Beim rechten Auge öffnete sich das Lid auch nach dem zweiten Versuch wieder um ein paar Millimeter. Dann bewegte er mühelos Ingrams Finger und Handgelenke. Die Totenstarre hatte noch nicht eingesetzt. Er zog Ingrams Unterkiefer herab und blickte in den leeren Mund. „Keine zwei Stunden her,“ sagte er. Beim Loslassen des Kiefers begann sich Ingrams Mund langsam wieder zu schließen, ein makabrer Anblick, dem Zanolla mit einem entschlossenen Klaps gegen die Unterseite des Kinns ein Ende bereitete.
    Während Zanolla anschließend die Taschen des Toten leerte, streifte sich auch Taylor Gummihandschuhe über und fing an, das Boot zu untersuchen. Es lag mit dem Spiegel zum Ufer gerichtet und hatte Grundberührung mit dem achterlichen Teil des Kiels, so dass es bei Taylors Einsteigen zwar kippelte, aber nicht abtrieb. Der Name Tern stand in ungelenker, fast verblichener Schrift auf dem Spiegel. Seeschwalben waren sicher selten hier, aber es war wohl bei der Namensgebung darum gegangen, einen möglichst kurzen Namen zu finden, den man schnell aufmalen konnte. Im Boot lagen ein paar Angelruten, die Riemen, zwei umgekippte Eimer, eine etwa drei Meter lange und ziemlich verschlissene Festmacherleine und ein mindestens dreißig Kilogramm schwerer Klappdraggen mit einem kurzen Stück Kette und daran angeknoteter, für diese Ankergröße zu dünn scheinender Ankerleine von beträchtlicher Länge. Sie lag in unordentlichen Windungen vorn auf dem Bootsboden. Ein paar Bodenbretter in der Bootsmitte waren angehoben. Darunter schwappte dunkles Wasser. Etwas Grünes lag oder schwamm darin und erregte Taylors Aufmerksamkeit. Er holte es heraus und hielt es fragend in die Höhe. Es sah aus wie eine Kinderschaufel aus Plastik.
    „Zum Ausschöpfen. Wenn Wasser im Boot ist“, klärte Zanolla Taylor auf.
    Taylor warf das Ösfass zurück ins Boot, zog dann den rechten Handschuh wieder aus und prüfte die Ankerleine auf Nässe. Offenbar hatte Ingram den Anker geworfen. Der See musste recht tief sein.
    „Mr. Taylor“, sagte der Alte plötzlich, der bis dahin wortlos etwas höher am Ufer gestanden hatte. Beide Agenten blickten zu ihm auf, und sie blickten in die Mündung einer P229. Sie gehörte einem kräftigen, etwa fünfunddreißig Jahre alten Mann, der Jeans, ein langärmliges Hemd, eine abgetragene Lederweste und eine blaue Baseballkappe mit dem Emblem der New York Yankees trug. Er hielt den Alten mit der linken Hand eher beiläufig fest, aber doch so, dass der sich kaum bewegen, geschweige denn von dem Griff befreien konnte.
    Zanolla und Taylor richteten sich auf. Beide bewegten sich langsam und kontrolliert wie Leute, die richtiges Verhalten in solchen Situationen trainiert und verinnerlicht hatten. Sie nahmen die Arme nicht hoch, hielten sie nur leicht vom Körper ab wie Gärtner, die in der Erde gewühlt
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