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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes
Autoren: Douglas Clegg
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öffentlich verkündeten, um ihre Schätze zu bewahren und Dynastien zu erschaffen. Aber wie mit einem Nebelschleier über dem Marschland wurde die Vergangenheit verborgen gehalten, um die Macht derjenigen zu beseitigen, bei denen es sich nicht um Menschen handelte. Und die Vergangenheit ist auch ihr eigener Nebel, denn jenseits von ihr liegt das Jenseits selbst, die geheime Welt des Schleiers, welche zusammen mit der der Sterblichen besteht - und die wir den noch nicht sehen. Man kann keine Welt erobern, wenn die eigenen Chroniken von den eigenen Fehlschlägen und Niederlagen erzählen und von dem Blut an den eigenen Händen. Man kann sie nur dann erobern, wenn jene, die einem folgen, einen als den heiligen Sieger betrachten, als den Auserwählten Gottes, ein Opfer des teuflischen Bösen, von Plagen und von fürchterlichen Eindringlingen. Aber die Wahrheit ruht bei mir und anderen, die mir ähnlich sind.
    Und so werde ich Ihnen erzählen, was sich in jenen finsteren Zeiten ereignete.
    Ich schreibe dies aus meinem Grab, nachdem ich jene Hunderte von Jahren gelebt habe (auf die Art, in der ich lebe, was weder Leben noch Tod bedeutet). Ich habe einen Teil meines provinziellen Gepräges verloren, die Art des Bauernknaben aus dem Gebiet,
das heute Bretagne genannt wird, des unbeholfenen Jünglings, der in plumpen, kaum enträtselbaren Redewendungen sprach, des aus einer strohgedeckten Lehmhütte stammenden Kindes, die ich einst als Häuschen betrachtete, als mein Heim, ohne Bildung, gewissermaßen auch ohne die geringste Hoffnung. Sollte ich bei meiner Erzählung abschweifen oder eine historische Einzelheit vergessen, vergib mir bitte diese Ignoranz. Denn zu viele Jahre sind seit meiner Geburt bis zum heutigen Tag vergangen, und ich erinnere mich so daran, wie es meiner jetzigen Sicht der Dinge entspricht.
    Ich lernte meine Sprache ungefähr in den letzten hundert Jahren. Ich erlernte auch die Kunst, meinen Namen zu schreiben, erst, als ich fast dreihundert Jahre alt war. Meine Bildung - an den großen Universitäten der Menschheit und durch weltliche Schriftstücke aus alter Zeit, die vor den Augen der Menschen in Höhlen verborgen lagen - wurde nicht vor den letzten Tagen des neunzehnten Jahrhunderts in Angriff genommen. Da ich ein so langsamer Schüler bin, dauerte es bis zum zwanzigsten Jahrhundert, bis ich die Unermesslichkeit dieser Welt erfasste, ihrer Literatur, der Erfindungen der Menschen. Erst jetzt spürte ich das Vergehen und die Wiedergeburt der Götter darin, den Wald derjenigen, die in der Dunkelheit jagen.
    Auch mein Ver stand stammt aus diesem neuen Zeitalter. Die Vergangenheit ist ein Bereich der Spiegelbilder und der Lichttäuschungen. Sollte ich bei meiner Beschreibung der Schlachten im Heiligen Land oder der Schlösser meines Heimatlandes scheitern, dann sei dem eben so. Es ist zu viele Jahre her, eine Erinnerung reiht sich an die andere. Und dennoch erinnere ich mich, um die Wahrheit zu sagen, an alles. Auch daran, wie diejenigen, deren Leben mit dem meinigen verknüpft waren, rochen, schmeckten, sich anfühlten. Ich berichte über die Geschichtsschreibung der Seele. Du kannst in Geschichtsbüchern nachschlagen, auch wenn die
meisten von ihnen lügen, aber wenn du das Datum von Schlachten oder das Banner, das ein Ritter wehen ließ, oder alle Feinheiten der Strategien, die das Heilige Land erst zu Fall brachten und es später wieder festigten, kennen zu lernen wünschst, schlage ich vor, dass du dich auf die Suche nach der Geschichtsschreibung des ersten Jahrhunderts meines Lebens begibst. Da gibt es Karten. Da gibt es Schätze, die in Museen verschlossen liegen. Da gibt es auch Grabstätten. Ebenso Berichte über die Könige und Herzöge der Welt, darüber, wie sie die Politik und Legenden ihrer Epochen beeinflussten. Ein Teil der Geschichtsschreibung entspricht der Wahrheit, ein anderer Teil ist falsch, der größte Teil davon liegt jedoch vor der Welt verborgen.
    Es gab großartigere Kriege als die der Menschen, großartigere Rassen als die Sterblichen und eine großartigere Geschichtsschreibung als diejenige über die menschlichen Könige.
    Also werde ich, so gut ich kann, über alles schreiben, woran ich mich erinnere, beginnend mit dem Weg, der mich zum Priester des Blutes führte.
    Blut ist meine Nahrung und meine Herrlichkeit, doch ich bin nicht sein Priester, lediglich ein Sklave des Schleiers und seiner Schöpfung. Ich bin einst ein Mann gewesen, der damals in seinem neunzehnten
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