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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes
Autoren: Douglas Clegg
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bin.«
    Frey war zwölf Jahre alt, als er sein Zuhause endgültig verließ. Im ersten Morgengrauen grub er sich seinen Weg aus der Kellerfalle. Er nahm etwas Wurzelgemüse und einige Äpfel mit, die er in sein zerlumptes Hemd gewickelt hatte. Die linke Seite seines Gesichtes war von Narben bedeckt, und Blasen hatten sich dort gebildet, wo ihn das Öl getroffen hatte. Er küsste mich auf die Stirn und schwor, dass er, sollten wir uns jemals wiedersehen, in diesem oder im nächsten Leben, mich als Bruder und Freund begrüßen und niemandem gestatten würde, mir ein Leid zuzufügen.
    Ich dachte, ihn niemals wiederzusehen. Wir alle wussten, dass,
wenn einer von uns gehen, unser Heim verlassen würde, ihm der Tod sicher wäre. Frey wusste das. Wir hatten von den Dingen gehört, die Knaben zustießen, die sich ohne irgendwelche Mittel in die Welt hinauswagten. An dem Morgen, als ich meinen Bruder den Pfad am Rande des Waldes entlanglaufen sah, sprach ich zahlreiche Gebete für ihn.
    Es war der traurigste Tag meines jungen Lebens, und obgleich du meine sterblichen Tage als vergeudet und voll des eitlen Strebens verurteilen könntest, bedenke immer, dass die Welt für ein Kind voller Wunder sein sollte. Wenn sie das nicht ist, wird sie zu einem Reich der Schatten und Albträume. Im Morast dieser Welt konnte ich mir nicht sicher sein, ob ich am nächsten Tag etwas zu essen bekäme, ob ich sterben oder ob eine meiner Schwestern tot umfallen würde.
    Es war recht natürlich für einen Knaben wie mich, von großen Dingen zu träumen, an Lügen zu glauben, die mir andere Träumer erzählten, und mir mehr zu wünschen als nur den Schmutz und die Krankheit in dieser Hütte namens Heimat - ich wünschte mir in jenem Leben den Himmel, einen wunderschönen Ort, an dem Träume und Hoffnungen erfüllt wurden.
    Der Wald war mein Ort der Träume, und die Vögel waren meine Boten zum Himmel.
     
    Ich muss Ihnen vom Wald er zählen, einem Ort der Träume und Wünsche in meinem jungen sterblichen Leben - aber ebenso einem Ort der Albträume. Es hieß, es gäbe in der Mitte des Großen Waldes einen Baum, der älter war als alle anderen. Er wurde die »Eiche der Priester« genannt, oder auch Teufelsbaum, davon abhängig, ob es ein Bauer oder ein Mönch war, der ihn erwähnte. Es wurde behauptet, er wäre der Vater aller Bäume, dessen Wurzeln bis tief in die Erde reichten, und von dort erwuchsen angeblich sämtliche Bäume der ganzen Welt. Das war nur eine der vielen
Legenden des Waldes, und ich wuchs mit der Magie dieser Geschichten auf.
    Auch wenn er sowohl unter alten als auch unter christlichen Namen und solchen von Eroberern und Häuptlingen berühmt war, kannten ihn diejenigen von uns, die neben ihm wohnten, nur als den Großen Wald. Er war selbst eine Festung und für uns an allen Rändern mit Sumpfland begrenzt; lediglich ein einziger Waldrand konnte, hauptsächlich im Sommer oder während besonders eisiger Winter, leicht durchquert werden.
    Westlich davon lagen die großen Höhlen, in denen die Gruppe der Schwestern, der Bräute Christi, in einer felsigen Grotte ihr Quartier aufgeschlagen und ihre Kapelle gebaut hatten. Sie waren als Magdalenen bekannt, Nonnen, die sich vom materiellen Leben fernhielten, und, was noch wichtiger war, selbst vom Sonnenlicht, da es in ihren Augen ein Teil der materiellen Welt war, die die Seele verdarb. In jenen Tagen umfasste die Christenheit eine Vielfalt von Dingen, die später Ketzerei genannt werden sollten, und ein Jahrhundert später wurde Jagd auf die Magdalenen des Languedoc gemacht. Sie wurden dann in ihren Kapellen niedergemetzelt, aber während meines jungen Lebens gehörten sie einfach zur Mannigfaltigkeit der Christenheit.
    Diese rechtschaffenen Frauen lebten hauptsächlich von den Nahrungsmitteln, die ihnen von Pilgern gebracht wurden, denn es hieß, die Grotte und ihre Quellen könnten Menschen, die gesündigt hatten, einen Zustand der Unschuld zurückgeben, und zwar durch die Kraft des Blutes der Maria Magdalena, das der Legende nach vergossen worden war, um die Quelle zu erschaffen. Sie verfügten über eine Reliquie der Magdalena, angeblich ein Stück ihres Herzens, das getrocknet worden war und in einem hölzernen Kästchen am Fuße der Statue des einzigen weiblichen Apostels aufbewahrt wurde. Die Magdalenen wahrten einen Abstand zu allem, auch wenn sie eine freundschaftliche Beziehung
zum Abbé des Ortes hatten, denn sie waren zu einem einsamen Leben der Kontemplation und der Gebete
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