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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes
Autoren: Douglas Clegg
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bestimmt, und dazu, dem Felsvorsprung, auf welchem sie lebten, Segen zuteil werden zu lassen. Doch die guten Schwestern bildeten den entlegensten Punkt unseres Landes, den ich damals kannte, und der Wald und sein Marschland waren für mich von viel größerem Interesse als ein Nonnenkloster und Pilger.
    Im Frühling und Herbst war es nötig, sich Zugänge über schmale und schlammige Pfade zu suchen. Marsch und Moor führten zu Wasserläufen, die in den Wald und eine Gegend hineinführten, die wir später als die »Teufelszähne« kennen lernen sollten. Bei diesen handelte es sich um eine Reihe von großen Steinen, so groß wie viele Männer, die aufrecht im Kreis aufgestellt waren - und von denen es hieß, dass sie bereits seit dem Anbeginn der Zeit dort stünden. Es war ein geheimnisvoller und wundervoller Ort, wenngleich die Priester und Mönche uns oftmals warnten, niemals in den Wald zu gehen, wenn keine Notwendigkeit dazu bestand. Denn der Teufel lauere überall zwischen seinen Ästen und Wurzeln.
    Unsere Geschichtenerzähler er zählten an den Feuerstellen zahlreiche Geschichten über die Helden und Maiden aus alter Zeit, die im Inneren des Waldes ihr Schicksal ereilt hatte, über die Kreaturen und Monster, die einst zwischen seinen großen Bäumen umhergelaufen waren, und auch über die Nymphen und Feenköniginnen, die an seinen Sümpfen und in mitten der Höhlen gelebt hatten. Da gab es eine Legende über einen heiligen - aber giftigen - Baum, dessen Früchte jeden Menschen töteten, der von ihnen kostete, außer jenen, die reinsten Herzens waren. Ich hörte einst eine Geschichte über einen Mann, der für seine Familie im Wald nach Nahrung suchte und eine Wurzel aus der Erde zog, die wie ein Mann geformt war. Als der redliche Mann sie herauszog, schrie sie so laut auf, dass er von dem Klang taub wurde.

    In der Mitte des Waldes wie es in allen Legenden hieß er hob sich die Ruine eines uralten Schlosses aus dem Farn und Dickicht, der Wohnort einer keltischen Königin, die einst über sämtliche Wälder der Welt geherrscht hatte. Eine alte römische Mauer, halb niedergerissen, halb vergessen, erstreckte sich unter den Pflanzen, die sie überwucherten. Da gab es legendäre Quellen und verlorene Schätze, die schon vor Jahrhunderten vergraben worden waren; und noch andere großartige Zaubermärchen verschmolzen in seiner grünen Dunkelheit mit der geschichtlichen Vergangenheit. Obwohl der Her zog den Wald für sich beanspruchte - und der Baron im Namen des Herzogs natürlich auch -, gab es, soweit ich wusste, keine einzige Familie, die nicht gelegentlich eine Bestrafung wegen Wilderei riskierte, um sich zu ernähren. Und wenngleich die Äbte, Priester und Nonnen ein großes Geschrei deswegen veranstalteten, wusste man noch immer um diejenigen, die innerhalb des Großen Waldes Wahrsagerei und Heilkunst betrieben.
    Als meine Mutter erkrankt war, begleitete ich sie, gemeinsam mit meinem Großvater häufig auf einer Reise in den Wald. Er wusste, wie man die Weisen Frauen des Waldes rufen konnte. Sie brachten einen Breiumschlag oder einen Tee für meine Mutter herbei, der gegen ihr Fieber helfen sollte. Als ich mir den Fuß an der Schneide eines Breitbeils verletzte, einer Art von Axt, die wir damals zum Holzhacken verwendeten, trug mich mein Großvater tief in den Großen Wald zu der Weisen Frau, die ich als Mere Morwenna kannte.
    Obwohl sie nicht meine Mutter war, nannten wir sie doch so, und sie gab mir etwas, das nach Süßholz und Minze schmeckte. Dann hieß sie mich ein abscheuliches Stück Roggenbrot essen, das mit grau-grünem Schimmel bedeckt war. Eine süße Leckerei half mir dabei, die Brotstücke hinunterzuschlucken, und innerhalb zweier Tage waren die Infektion und das Fieber, das als Begleiterscheinung
auftrat, verschwunden. Wie alle Weisen Frauen trug sie einen dünnen Schleier, der so wirkte, als bestünde er aus Spinnennetzen, denn als ich ihn einmal berührte, fühlte er sich an meiner Hand klebrig an.
    Wir von den Feldern kannten sie als die Waldfrauen oder die Weisen, aber sie selbst nannten sich die Frauen des Schleiers, und so trugen sie diesen auch, um damit ihre Gesichter von der Nase bis zum Kinn zu bedecken. Mere Morwenna hatte ein kleines Kind, dessen gesamter Körper verschleiert war, da es hieß, zu viel Licht würde es töten. Es schien, als ich ein Knabe war, kaum größer als ein Säugling. Meine Mutter erzählte mir, dass es an irgendeiner starken Missbildung litte und dass Mere
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