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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes
Autoren: Douglas Clegg
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besiegten Landes. Eine Abtei war etwa zweihundert Jahre vor meiner Geburt erbaut worden, dann war ein Dorf um sie herum entstanden, und irgendwann in seiner Geschichte hatte die Familie meiner Mutter, die eine gewisse Geltung besaß, diese verloren und sich mitten im Morast niedergelassen.
    Es existierte noch keine große Mutterkirche im eigentlichen Sinn, stattdessen gab es die Christenheit. An ihrem Rande dauerten die Alten Bräuche weiterhin fort, und es gab Orden von Nonnen
und Mönchen, die man später als Ketzerinnen und Ketzer bezeichnete. Sie glaubten an einen christlichen Gott, bei dem es sich nicht ganz um den Gott handelte, an den heute geglaubt wird. Es war ein umkämpftes Territorium, aber meine Erinnerung daran deckt sich weniger mit den geschichtlichen Tatsachen als mit der Welt eines kleinen Knaben. Trotz unseres bretonischen Blutes auf einem Boden, der eines Tages zu Frankreich gehören würde, lebten wir noch immer nach der Art unserer Stämme und Clans, und unsere Sprache ähnelte der unserer Verwandten in Wales und Cornwall mehr als jener Sprache derjenigen, die weit im Osten - in Paris - lebten. Daher hatte mein Name zweifellos einen englischen Klang, wie es auch bei denen der meisten meiner Geschwister der Fall war. Aleric. Ich verfügte weder über einen Sinn für mein Volk noch für die Invasionen, die wohl unaufhörtlich stattgefunden haben müssen.
    Meine Welt war die einzige Welt, die überhaupt existierte, und sie war keineswegs angefüllt mit der Geschichte aus den Büchern über hochrangige Menschen, sondern mit der niederen, einfachen und schäbigen. Es war eine Welt des Tageslichts mit einer wunderschönen Sonne, deren Juwelen sich über das schiefe Strohdach ergossen. Zwischen meinen winzigen Zehen quollen Mist, Schlamm und Schafskot, als ich zwischen den dicken Beinen meiner Mutter herausfiel, aus dieser Dunkelheit hinein in eine Wiege, die nicht besser war als ihr Schoß.
    (Denk nicht schlecht über mich, nur weil ich meine Mutter auf diese Weise beleidige. Wie du dir denken kannst, hatte ich einen guten Grund für diese Gefühle.)
    So wurde ich im Quatember geboren, einem neuen Jahr, nach der Sonnenwende, hinein in die gefrorene Welt des Lebens. Es heißt, meine Mutter befand sich im Dorf, eine halbe Tages reise zu Fuß von unserem Heim am Rande des Großen Waldes entfernt. Hochschwanger, wie sie war, hatte sie am Dorfbrunnen eine Rast
eingelegt, an seiner glatten, grauen Steineinfassung. Als schließlich die Stunde meiner Geburt gekommen war, trieb sie der Frost des Tages in einen Stall. Wie die Heilige Jungfrau, Maria, Mary, Notre Dame, kauerte sich Mutter zwischen Ziegen und Schafen und Eseln und vielleicht auch einem Pferd mit einem eingesunkenen Rücken und zweifellos mehreren gefleckten Hunden auf den Boden, und heraus kam ich, in die Schlange des Lebens, die sich in den Schwanz biss, in den Kreislauf der Zeit hinein. An diesem Ort wurde meine Mutter krank. Ich habe keinen Zweifel, dass sie einen Augenblick lang darüber nachdachte, ob sie mich töten und im Dung begraben sollte, um ihre Schande und Sünde zu verbergen. Kein Gerstenfeld für mich, mein frühes Grab sollte die Heimstatt von Fliegen und Ungeziefer sein.
    Aber irgendetwas hielt sie zurück, ob es nun das Gesetz war oder ihr eigenes Gewissen, darüber kann ich mir nicht sicher sein. Vielleicht war es die Schicksalsgöttin selbst, die meine Mutter davon abhielt, mir an der Wand den Schädel einzuschlagen. Ich kann sogar hoffen, dass sie die mütterliche Wärme einer Kuh für ihr Kalb empfand und mich an ihrer Zitze saugen ließ. Vielleicht hielt sie mich an sich gedrückt und weinte über mich, liebevoll und unglücklich über ihr trostloses Leben. Viel leicht war auch eine Hebamme anwesend, die ihr da bei half, die Nabelschnur zu durchtrennen und mir die erste Milch aus einer großzügigeren Brust zu geben. Vielleicht hatte meine Mutter sogar - für nur wenige Augenblicke ihres Lebens - meine Wange geküsst und ein Schlaflied geflüstert.
    Vielleicht war die Große Mutter, Mater, Matter, Mother, dort bei ihr, die Erde, die sich auf eine unsichtbare Art und Weise um mich kümmerte, indem sie die Hand meiner Mutter führte, so wie sie schon so viele Hände zuvor geführt hatte.
    Ein freundlicher Kaufmann lud die Madonna und das brüllende Kind auf die Fläche seines Wagens und fuhr sie über schneebedeckte
Hänge zurück zu ihrem Heim, das aus einem einzigen Zimmer bestand und von dem ich später irgendwann dachte,
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